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Die Totengräberin - Roman

Die Totengräberin - Roman

Titel: Die Totengräberin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Berlin hielt: Carolina.
    Sie blieb noch eine Weile im Liegestuhl liegen, las nicht und schlief nicht. War so unglücklich, dass sie noch nicht einmal weinen konnte.
     
    Magda war ganz in Gedanken, als sie am Nachmittag den Weg von Solata Richtung La Roccia hinunterfuhr. Daher achtete sie auch nicht auf eine Bewegung im Gebüsch und hatte keine Chance, rechtzeitig zu bremsen, als ihr ein Tier vors Auto lief. Sie hörte den dumpfen Knall, als der kleine
Körper gegen den Wagen prallte. Das Tier flog durch die Luft und blieb ungefähr drei Meter weiter auf dem gemähten Randstreifen liegen.
    Erst jetzt sah sie, dass es ein Fuchs war, und stieß einen schrillen Schrei aus.
    Sie sprang aus dem Auto, kniete sich neben ihn, streichelte ihn und tastete ihn dabei vorsichtig ab.
    Er wimmerte leise.
    »Keine Sorge, Füchslein, ich bring dich zum Tierarzt, es wird alles wieder gut.«
    Der schmale Körper war scheinbar unverletzt, warm und geschmeidig, aber ihm lief ein dünnes Rinnsal Blut aus Maul und Nase.
    Sie versuchte, den kleinen Körper hochzuheben. Vor Schmerzen bellte er heiser, und sie ließ erschrocken von ihm ab.
    »Füchslein«, flüsterte sie, »Füchslein, was hast du? Es tut mir so leid, es tut mir so verdammt leid, aber ich hab dich doch nicht gesehen!«
    Gut zehn Minuten saß sie bei ihm und streichelte ihm übers orangebraune Fell, dann spürte sie keinen Herzschlag mehr.
    Die Augen des Fuchses blickten starr in die grelle Sonne.
    »Du darfst nicht tot sein!«, flüsterte sie. »Bitte! Ich brauch dich doch …«
    Ihre Tränen tropften dem Fuchs aufs Fell. »Komm mit, Füchslein«, sagte sie leise, »hier kannst du nicht bleiben.«
    Sie öffnete den Kofferraum, hob den Fuchs vorsichtig hoch und legte ihn sanft hinein.
    Dann fuhr sie im Schritttempo bis zum Haus, als könnten ihm die Erschütterung und das Rumpeln auf der Straße noch immer Schmerzen bereiten.

    Bis zum frühen Abend ließ sie ihn im Kofferraum.
    Ungefähr eine Stunde vor Sonnenuntergang begann sie das Grab auszuheben und begrub ihn, als die Sonne hinter den Bergen versank, neben Bingo. Auf das Grab pflanzte sie einen roten Rosenstock.

73
    Am nächsten Morgen stand sie früh auf, fuhr nach Montevarchi und kaufte ein Olivenbäumchen.

74
    Liebster Thorben,
    eigentlich wollte ich Dir vor Deiner Ankunft gar keinen Brief mehr schreiben, aber ich muss es doch tun, so wunderbar ist das, was geschehen ist.
    Ich hatte mich schon gewundert, dass Füchslein in letzter Zeit immer dicker geworden ist. Manchmal hab ich gedacht, ich gebe ihm zu viel zu fressen, oder das Hundetrockenfutter ist zu fett für einen kleinen Fuchs, aber dann habe ich ihn ein paar Tage nicht gesehen, und er war noch dicker als zuvor. Mit meiner Fütterung konnte es also nichts zu tun haben.
    Und dann legte er sich unter die blaue Zeder direkt unterhalb der kleinen Natursteinmauer. Dort blieb er liegen, und immer, wenn ich mich vorsichtig näherte, wimmerte er leise. Ich bekam richtig Angst um ihn.
    Aber was red ich, es ist völlig falsch, dass ich immer von »ihm« spreche. Thorben, wir haben immer gedacht, er ist ein »Fuchs«, dabei ist es eine »Füchsin«! Eine schwangere Füchsin! Und sie hatte sich unter unsere Zeder gelegt, um ihre Jungen zu bekommen.
    Einer von uns, Papa oder ich, war immer in ihrer Nähe. Natürlich mit respektvollem Abstand, um sie nicht nervös zu machen.
    Es dauerte zwei Stunden, bis das erste Füchslein kam.
Scheinbar problemlos. Papa fotografierte wie ein Wahnsinniger. (Du kannst Dir in Ruhe die vielen Fotos angucken, wenn Du hier bist.) Und dann ging es ganz flott. Insgesamt vier Stück nacheinander. Wir dachten, jetzt ist alles überstanden, aber eine Stunde später kam noch ein Nachzügler. Füchslein Nummer fünf.
    Die Füchsin hatte’ne Menge zu tun, all ihre Kinder sauber zu lecken und ins Leben zu stupsen. Wir mussten überhaupt nicht helfen, und man weiß auch nicht, ob sie es sich gefallen lassen würde. Jedenfalls scheint es so, als ob alle fünf Fuchsbabys okay sind. Sie saufen friedlich, und Papa meint, sie hätten auch schon zugenommen.
    Jedenfalls hat sich die Füchsin entschieden, mit ihren Jungen bei uns zu bleiben, und das finden wir sagenhaft. Es ist wirklich ein Wunder. Wir hatten einen (fast zahmen) Fuchs, und jetzt haben wir sechs.
    Wir wissen dieses Vertrauen der Füchsin zu schätzen und stellen ihr jeden Tag Futter hin. Papa hat schon überlegt, ob er versucht, Mäuse zu fangen. Die sind für einen Fuchs bestimmt nahrhafter

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