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Die Totengräberin - Roman

Die Totengräberin - Roman

Titel: Die Totengräberin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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gehen. In seinem Kühlschrank herrschte gähnende Leere, da er nur noch in der Studiokantine gegessen hatte.
    Er ging unter die Dusche, um seinen Frust loszuwerden, stellte danach fest, dass auch kein Kaffee mehr im Haus war, und lief zu Penny, um wenigstens das Nötigste zum Frühstück einzukaufen.
    Nach den ersten beiden Tassen Kaffee ging es ihm besser, und er überlegte, was ihn in dieser Situation retten
könnte. Jetzt im Juni Bewerbungen an die Theater zu schicken, hatte keinen Sinn. Die Theaterferien standen vor der Tür, die ersten Stücke der neuen Spielzeit waren längst besetzt. Was jetzt vor der Sommerpause noch ins Haus flatterte, wanderte in den Papierkorb oder war sechs Wochen später vergessen.
    Er rief seine Agentin Anneliese an. Eine hagere Neunundsiebzigjährige, die jeden mit »Kindchen« anredete und überall verkündete, sie sei dreiundsechzig. Sie lebte zusammen mit ihrer Dackeldame Paulinchen im vierten Stock eines Berliner Altbaus. Paulinchen war angeblich siebzehn Jahre alt, was dem unerreichbaren menschlichen Alter von hundertneunzehn Jahren entsprechen müsste, und war dementsprechend inkontinent. Anneliese war es leid, x-mal am Tag die vier Treppen hinunterzusteigen, um Paulinchen Gassi zu führen. Daher hatte sie in allen Zimmern Plastiktischdecken als Hundeklos auf dem Boden ausgelegt. Paulinchen pinkelte nun nach Herzenslust, und der beißende Gestank saß für alle Zeiten in den Räumen, auch wenn Anneliese die Plastikdecken abwischte und ausgiebig lüftete.
    Anneliese schien der widerliche Geruch nicht zu stören, und die gleiche Toleranz verlangte sie auch von ihren Besuchern. Jedem, der sich in ihre Wohnung wagte, erzählte sie gern und ausführlich Anekdoten von damals, als sie als »blutjunges Ding« bei Gustaf Gründgens am Düsseldorfer Schauspielhaus engagiert gewesen war. Im Eifer des Gefechts vergaß sie völlig, dass sie dann bereits als Vierjährige die Julia gegeben haben musste.
    »Ach Gott, Kindchen, das ist ja fürchterlich«, meinte sie müde, als Lukas ihr kommentarlos das Fax vorlas. »Aber was willste machen? Nischt kannste machen. Um gutes
Wetter beten, dass es das nächste Mal klappt. Ich werde mal mit Wedel reden, der plant einen Siebenteiler über eine Gruppe Schwerstkrimineller, die nach fünfzehn Jahren Knast in verschiedenen Kleinfamilien resozialisiert werden sollen und dort natürlich fürchterlich auskreisen. Da müsste doch was für dich zu machen sein.«
    »Ich brauche jetzt was, Anneliese. Sofort. Ich kann nicht fünf Jahre warten, bis Wedel anfängt zu drehen und meine Rolle mit Heiner Lauterbach besetzt. Jetzt ist mir was weggebrochen, und jetzt muss ich sehen, wo ich bleibe.«
    »Verstehe, Kindchen, verstehe. Hab ich deine Nummer?«
    »Ich bin seit sechs Jahren in Ihrer Agentur, und meine Nummer hat sich noch nie geändert.«
    »Das ist gut so. Ich hasse Schauspieler, die jede Woche umziehen, nur weil sie nichts Besseres zu tun haben.«
    »Jetzt im Sommer wird doch’ne Menge gedreht, da müsste doch noch was zu finden sein!«
    »Ach was!« Anneliese pfiff schrill durch die Zähne, sodass Lukas mit dem Hörer am Ohr zusammenzuckte. »Es ist im Moment absolute Saure-Gurken-Zeit. Das kannst du mir glauben, Kindchen. Dreht doch keiner mehr was Vernünftiges. Die produzieren nur noch diese unsäglichen Doku-Soaps. Auf allen Sendern werden die Frauen getauscht, die Wohnungen renoviert, oder man wandert aus. Fürchterlich. Hat einfach keiner mehr Geld.«
    »Vielleicht finden Sie ja doch was. Ich drehe auch die Sendung mit der Maus, mir egal. Oder lese das Telefonbuch.«
    »Solche Sprüche will ich gar nicht hören, Kindchen. Du spielst entweder was Vernünftiges oder gar nichts.«

    »Einverstanden. Über mein Handy bin ich jederzeit zu erreichen.«
    »Hab ich die Nummer?«
    »Ich melde mich ab und zu bei Ihnen. Danke. Tschüss, Anneliese.«
    »Mach’s gut, Kindchen.«
    Anneliese legte auf, und Lukas überlegte, ob er sich nicht vielleicht doch langsam eine andere Agentur suchen sollte.
     
    An diesem Nachmittag ließ er noch zwei Waschmaschinen durchlaufen, saugte das Wohnzimmer und wusch in der Küche ab. Dann hatte er keine Lust mehr und ging zu seinem Lieblingsitaliener Giovanni, um eine Pizza zu essen.
    Giovanni begrüßte ihn, als habe er ihn Monate nicht gesehen, dabei kam Lukas zwei- bis dreimal in der Woche. Er kredenzte ihm einen Prosecco zur Begrüßung, servierte ihm Fisch, Pasta und Zuppa Inglese und erzählte bei jedem Gang von seiner

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