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Die Totenleserin1

Die Totenleserin1

Titel: Die Totenleserin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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dass sie von ihnen so schön herausgeputzt wurde, während sie selbst weiter ärmlich herumliefen.
    »Leinen tut’s auch«, sagte eine frohe Gyltha knapp.
    Adelias Kopf wurde aus dem Ofen gezogen, und nachdem man ihr Unterrock und Unterkleid übergestreift hatte, musste sie sich auf einen Schemel setzen, wo ihr das Haar so lange gebürstet wurde, bis es wie Weißgold schimmerte. Silbernetze waren gekauft und zu kleinen Taschen genäht worden, die man ihr nun über die Zöpfe um die Ohren steckte. Die Frauen arbeiteten noch daran, als Simon zurückkam.
    Als er Adelia sah, blinzelte er. »Na, sieh mal einer an …«
    Ulf war der Unterkiefer heruntergeklappt.
    Verlegen knurrte Adelia: »So viel Getue, wo ich noch nicht einmal weiß, ob wir überhaupt hingehen sollten.«
    »Natürlich geht Ihr hin. Lieber Doktor, wenn Ihr Cambridge Euren Anblick verwehrtet, würde sogar der Himmel weinen. Ich kenne nur eine Frau, die es mit Eurer Schönheit aufnehmen kann, und die ist in Neapel.«
    Adelia lächelte ihn an. Er war ein scharfsinniger kleiner Mann und wusste genau, dass sie sich nur über ein Kompliment freuen würde, das frei von Koketterie war. Er achtete stets darauf, seine Frau zu erwähnen, die er vergötterte, nicht nur, um klarzustellen, dass
er
für Adelia tabu war, sondern auch umgekehrt. Alles andere hätte eine Beziehung gefährdet, die notgedrungen sehr eng war. So jedoch konnten sie Gefährten sein; er respektierte ihr berufliches Können, sie das seinige.
    Und es war nett von ihm, dachte sie, dass er sie mit der Frau gleichstellte, die in seinen Augen noch immer die schlanke junge Schönheit mit der Elfenbeinhaut war, die er zwanzig Jahre zuvor in Neapel geehelicht hatte – obwohl sie, nachdem sie ihm neun Kinder geboren hatte, vermutlich nicht mehr ganz so schlank war wie damals.
    Heute Morgen frohlockte er.
    »Bald sind wir wieder zu Hause«, versprach er ihr. »Ich will noch nicht zu viel verraten, solange ich die erforderlichen Dokumente noch nicht gefunden habe, aber es gibt Abschriften von den verbrannten Schuldnerlisten. Ich wusste es. Chaim hatte sie bei seinen Bankiers hinterlegt, und da es unglaublich viele sind – der Mann hat anscheinend an ganz East Anglia Geld verliehen –, habe ich sie in die Burg gebracht, damit Sir Rowley mir bei der Durchsicht helfen kann.«
    »Ist das klug?«, fragte Adelia.
    »Ich glaube ja, ich glaube ja. Der Mann kennt sich gut mit Zahlen aus, und er brennt genau wie wir darauf herauszufinden, wer Chaim wie viel geschuldet hat und wer das so bedauerlich fand, dass er Chaim tot sehen wollte.«
    »Hmm.«
    Simon wollte Adelias Einwände nicht hören. Er glaubte zu wissen, was Sir Rowley Picot für ein Mann war, Kreuzritter hin oder her. Hastig warf er sich für das Fest in Grantchester in Schale und eilte zurück zur Burg.
    Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte Adelia ihr graues Überkleid angezogen, um das leuchtende Safrangelb zu dämpfen, das dann nur am Dekolleté und an den Ärmeln zu sehen gewesen wäre. »Ich will nicht auffallen.«
    Die Matildas jedoch stimmten für das einzige andere auffällige Stück in ihrer Kleidertruhe, ein Überkleid aus Brokat in den Farben eines herbstlichen Gobelins, und Gyltha pflichtete nachkurzem Zaudern bei. Es wurde vorsichtig über Adelias Frisur geschoben. Zu den spitzen Schuhen, die Margaret mit Silberfaden bestickt hatte, trug sie neue weiße Strümpfe.
    Die drei Gutachterinnen traten zurück, um das Ergebnis zu bewerten.
    Die Matildas nickten und klatschten in die Hände. Gyltha sagte: »Schätze, so kann sie sich sehen lassen«, was aus ihrem Mund schon fast an Übertreibung grenzte.
    Als Adelia einen Blick auf ihr Spiegelbild in dem zwar blank polierten, aber unebenen Boden eines Fischkessels warf, sah sie etwas, was an einen verzerrten Apfelbaum erinnerte, aber bei den anderen augenscheinlich durchging.
    »Fehlt nur noch ein Page, der auf dem Fest hinter der Frau Doktor steht«, sagte Matilda B. »Der Sheriff und die anderen nehmen immer Pagen mit, die hinter ihrem Stuhl stehen. Furz-fänger nennt Ma sie.«
    »Page, hä?«
    Ulf, der Adelia noch immer mit offenem Mund anstarrte, merkte, dass sich vier Augenpaare auf ihn richteten. Er nahm Reißaus.
    Die anschließende Verfolgungsjagd endete mit einem fürchterlichen Kampf. Ulfs Schreie lockten Nachbarn aus ihren Häusern, die wieder ein Kind in Lebensgefahr wähnten. Adelia, die sich abseits hielt, um nicht vom aufgewühlten Badewasser nass gespritzt zu werden, tat vor

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