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Die Totenmaske

Die Totenmaske

Titel: Die Totenmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Henke
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sich hat. Einverstanden?«
    Mit diesen Worten marschierte er voran, als wäre er es, der sich im Wald auskannte. Kein Wunder! Der Hügel, den Zoe vorhin gemeint hatte, ragte unmittelbar vor ihnen auf wie eine grüne Welle in einem Meer aus Bäumen.
    Belustigt starrte sie auf seinen sich langsam entfernenden Rücken. Ein Lächeln kitzelte in ihren Mundwinkeln.
    »Einverstanden.«

Kapitel 15
    A us der richtigen Perspektive fotografiert, hätte die Jagdhütte mit dem fröhlich blühenden Ritterspornhain im Vordergrund ein passendes Motiv für eine Postkarte abgeben können. Doch die Idylle auf der Lichtung täuschte. Je näher sie dem Haus kamen, desto unwahrscheinlicher erschien es Zoe, dass ihr Freund jemals hier gelebt haben konnte. Windschief lehnte das verwitterte Gebäude sich an den Hügel, wo solides Mauerwerk von einer Blockhüttenwand abgelöst worden war. Ein kleiner Erker schien im Laufe der Jahre mit dem Wald eins geworden zu sein. Wilde Efeuranken griffen von allen Seiten nach dem verlassen wirkenden Haus. Dazwischen lugten blinde Fensterscheiben hervor, umgeben von tiefen Simsen, starr wie tote Augen in Höhlen. Von außen deutete nichts auf ein einladendes Heim hin. Jedes Fenster war von innen verhangen, was nicht unbedingt den Eindruck vermittelte, als wäre alles in Ordnung.
    Obwohl die Sonne sich ihren Weg zwischen den Regenwolken hindurchbahnte, fühlte es sich an, als würden sie um Mitternacht über einen Friedhof schleichen, statt den verwilderten Vorgarten einer Jagdhütte zu durchqueren. Mit einem leichten Schaudern legte Zoe eine Hand auf das mit Vogelkot überzogene Treppengeländer. Immer noch besser, als auf den bemoosten Stufen vor der Eingangstür zu stürzen.
    »Kaum zu glauben, dass hier jemand wohnt«, sagte Leon mit gedämpfter Stimme. »Dafür mussten sicher ein paar Gesetzeslücken herhalten, denn als dauerhaften Wohnsitz dürfte es hier keine Genehmigung gegeben haben.«
    »Das wird Joshs Vater wenig interessiert haben.«
    Wieso flüsterten sie überhaupt? Sie hatten doch nicht vor, hier einzubrechen, sondern zu klopfen und zu sehen, ob Josh aufgetaucht war.
    Da nirgendwo eine Klingel zu finden war, betätigte Zoe den rustikalen Türklopfer. Nichts rührte sich. Leon griff unter seine Jacke und öffnete den Verschluss seines Schulterholsters. Ein kleines Seitenfenster neben der Tür war nicht verhangen, doch es starrte vor Schmutz. Zoe wischte mit dem Ärmel darüber, schürzte die Hände und spähte in undurchdringliche Dunkelheit.
    »Wir versuchen es hintenherum.« Leon bedeutete ihr mit einem Nicken, ihm zu folgen.
    Nachdem sie ein Dickicht aus wildwucherndem Brombeergestrüpp mit ein paar Kratzern an den Händen überwunden hatten, erreichten sie den Hintereingang des Hauses. Erneut erwartete sie ein völlig verschmutztes Türfenster. Ein flimmerndes Fernsehbild tauchte den schwach beleuchteten Raum in gespenstisches Licht. Davor erkannte Zoe die Rückseite eines Ohrensessels, auf dessen Lehne eine Hand ruhte.
    »Hallo? Herr Ziller?« Ihr Klopfen ließ die marode Tür erzittern.
    Keine Reaktion. Sie zuckte mit den Achseln.
    Leon schob sich an ihre Seite. »Hier stimmt was nicht. Geh bitte zur Seite!«
    Mit dem Ellbogen zertrümmerte er die Scheibe und klinkte die Tür von innen auf. Zoe schluckte. Es kam ihr nicht richtig vor, unaufgefordert in ein fremdes Haus einzudringen. Doch Leon war Polizist. Er wusste, was zu tun war. Aus diesem Grund ließ er ihr auch nicht den Vortritt, sondern ging langsam voran. Sie durchquerten einen Vorraum, der mehr Ähnlichkeit mit einer überdachten Terrasse aufwies. Eine Gruppe farbloser Korbmöbel stand verlassen in einer Ecke. Die Treppe zum oberen Stockwerk verlor sich in der Dunkelheit.
    Im angrenzenden Wohnraum umfing sie modrige, feuchte Stille. Hereinströmende Zugluft wirbelte dicke Staubschichten von den Kommoden auf, die schon bessere Tage gesehen hatten. Spinnweben hingen von den Wänden herab wie fehlplazierte halbdurchsichtige Gardinen. Eine flackernde Neonröhre tauchte den Raum in ein unwirtliches Licht. Ansonsten schienen Glühlampen selten auf dem Einkaufszettel der Zillers zu stehen. Die meisten Lampen blieben dunkel, als Zoe den Lichtschalter betätigte.
    Sie unterdrückte ein Husten und zog ihre Taschenlampe aus dem Rucksack. Ein strenger Geruch strömte aus dem Wohnzimmer. Zoe beschlich eine dunkle Vorahnung. Sie wollte sich weigern, das süßlich-faulige Aroma als das zu identifizieren, was es unverkennbar war. Verwundert

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