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Die Totenmaske

Die Totenmaske

Titel: Die Totenmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Henke
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stürzte seitlich zu Boden. Mensch und Maschine schlitterten über das Kopfsteinpflaster. Funken stoben auf, wo Metall kreischend über den Boden schliff.
    Einen kurzen Schreckmoment lang war alles still.
    Zoes Atmung setzte wieder ein. Sie keuchte. Ihr Blickfeld war eingeschränkt. Aus den Augenwinkeln registrierte Zoe die aufkommende Bewegung um sich herum. In ihren Ohren pulsierte es, ihr Herz schlug Kapriolen. Das Motorengeräusch nichts mehr als ein schwaches Knattern. Sein Fahrer regungslos auf dem Boden. Menschen eilten herbei, von allen Seiten des Marktplatzes. Wo kamen sie bloß alle her? Eiscreme schmolz über Kinderhände, weil sie vergaßen, daran zu lecken. Eine Frau mit bunten übergroßen Lockenwicklern auf dem Kopf kam angelaufen, den hastig übergeworfenen Kittel noch zuknöpfend. Der Mann am Fenster reckte drohend seine Faust, unverständliche Worte schimpfend.
    Leon löste sich von Zoe und lief auf den Motorradfahrer zu. Dieser sprang auf wie ein Kastenteufel und fuhr blitzschnell herum. Die Faust traf Leon am Kinn. Er taumelte zurück, konnte sich aber noch rechtzeitig fangen. Ein entsetztes Raunen erhob sich unter den Umstehenden. Im nächsten Moment saß der Mann wieder auf seiner Maschine. Der Motor heulte auf wie ein Warnruf, der den Schaulustigen eine letzte Chance einräumte, den Weg frei zu machen. Dann raste er über den Marktplatz. In der Ferne ertönte ein Martinshorn.

    »Geht es dir gut?« Leon beugte sich vor, als würde er mit einem kleinen Kind reden.
    Zoe nickte verstört. »Alles okay.«
    Die Blumenverkäuferin fasste Zoe am Arm. »Armes Ding! Der Kerl ist direkt auf Sie zugefahren, als wollte er Sie überfahren.«
    Ein neuer Schreck durchfuhr Zoe. »Warum … warum sollte jemand so etwas tun?«, flüsterte sie. Der Gedanke, dass möglicherweise Absicht dahintersteckte, war ihr gar nicht gekommen.
    Die vermeintliche Antwort kam aus der Menschentraube, die sich um den Brunnen gebildet hatte.
    »Das musste ja irgendwann passieren! Man ist sich ja seines Lebens nicht mehr sicher, seit diese Kriminellen hier aufgetaucht sind!«, ereiferte sich eine Frau.
    »Genau! Und mit ihr hat doch alles angefangen!«, fügte eine weitere hinzu und deutete auf Zoe.
    Ein paar Leute nickten zustimmend, während andere sich kopfschüttelnd abwandten.
    Leon seufzte, ging auf die zeternde Gruppe zu und zeigte seinen Dienstausweis in die Runde. »Was genau hat angefangen?«
    Die angesprochene Frau starrte ihn verdattert an. »Dieses ganze Volk, das sich hier in der letzten Zeit rumtreibt. Sind doch alles Verbrecher! Dazu die drei Toten, und der verhaftete Junge war schließlich ihr Freund!«
    »Was wollen Sie damit sagen?« Leons Stimme hatte an Strenge zugenommen. Er sah wütend aus.
    Zoe fühlte sich plötzlich ausgegrenzt. Sie stand da wie ein unbeteiligter Beobachter, obwohl die Anschuldigungen eindeutig ihr galten, auch wenn sie noch so weit hergeholt waren. Sie straffte ihre Schultern und steckte beide Hände in die Hosentaschen, um ihr Unbehagen in den Griff zu bekommen.
    »Ich meine ja nur«, gab die Frau kleinlaut zurück.
    »Das ist doch alles Bockmist!«, rief der Mann oben aus dem Fenster. »Die haben sich dahinten ein Rennen geliefert!«
    »Wer?« Leon ging näher an das Haus.
    »Der und ein Auto. Das ist vorn in den Waldweg abgebogen.«
    Von seinem Beobachtungsposten in dem schmucken Fachwerkhaus aus hatte der Mann den besten Blick zum nahe gelegenen Ortsrand. Es ging doch nichts über aufmerksame Bürger!
    »Konnten Sie den Wagen erkennen?«, rief Leon hinauf.
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Der ist in einen Feldweg abgebogen. Ich glaube, er war weiß.«
    Eine eigenartige Stimmung hatte sich über den Marktplatz gelegt wie eine Gewitterwolke, die versuchte, sich vor die Sonne zu schieben. Hinter Zoes Rücken wurde weitergetuschelt. Wohlwollende wie aburteilende Wortfetzen erzeugten ein unangenehmes Prickeln zwischen ihren Schulterblättern. Sie nickte der freundlichen Blumenverkäuferin zu und bewegte sich mit leicht wackeligen Knien auf Leon zu. Ehe sie ihn erreichen konnte, kam ein Streifenwagen herangefahren und versperrte ihr den Weg. Unschlüssig blieb Zoe stehen, während Leon den Polizisten mit wenigen Worten die Lage schilderte und ihnen das Kennzeichen des Motorrads zur Überprüfung gab. Die hartnäckigsten Schaulustigen reckten die Hälse, um noch mehr von dem Spektakel mitzubekommen.
    Zoe kam sich überflüssig vor und wollte unter keinen Umständen den Anschein erwecken,

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