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Die Totenmaske

Die Totenmaske

Titel: Die Totenmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Henke
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vorbeigegangen war, um das Atelier abzuschließen. Sie traute ihr zwar nicht wirklich zu, ihren Arbeiten Schaden zuzufügen, doch Vorsorge war besser. Außerdem stellte Zoes Arbeitsraum den Ort dar, an dem sie ihrer Kreativität freien Lauf ließ. Ein persönlicher Bereich, mehr noch als ihr Schlafzimmer. Sie rang sich ein Lächeln ab, während sie ihre Mutter voranschreiten ließ. Dabei biss sie die Zähne fest aufeinander, um zu verbergen, wie aufgebracht sie war. Es war einfach nicht möglich, ein normales Gespräch mit Isobel zu führen. Eigentlich legte Zoe auch keinen Wert darauf, sondern zog es vor, sich gar nicht zu unterhalten. Allein Isobels vorwurfsvoller Blick genügte, um sie wütend zu machen.
    Unten in der Halle angekommen, nahm sie ihre übergroße Jeansjacke von der Garderobe. Sie reichte bis zur Mitte ihrer Oberschenkel und fühlte sich an wie ein Tarnumhang. Wenigstens ihre Vorliebe für wenig schmeichelhafte Bekleidung löste keinen Unmut bei ihrer Mutter aus. Allerdings kleidete Zoe sich nicht unauffällig, um jemandem zu gefallen – im Gegenteil: Sie wollte nicht auffallen.
    Sie griff nach ihrem Schlüsselbund und beeilte sich, das Haus zu verlassen. Draußen blieb sie einen Moment in der kühlen Luft stehen. Sie atmete tief durch, um das Brennen des Vulkans in ihrem Innern zu beruhigen. Die Andere bahnte sich jedoch ihren Weg an die Oberfläche, verstärkte mit jedem Atemzug das Gefühl, aus zwei Hüllen zu bestehen, die um einen Körper buhlten. Ein Kribbeln zog an Zoes Seiten hinauf bis zu ihrer Kopfhaut. Sie betrachtete eingehend ihre Hände in der Erwartung, sie würden sich jeden Moment zu Krallen verformen. Doch die weiße Haut mit den durchscheinenden Adern zeigte keine Veränderung. An ihrem Handgelenk flatterte ihr deutlich sichtbarer Pulsschlag, als würde er den Countdown anzählen. War Angst einst der Auslöser gewesen, konnten inzwischen starke Emotionen wie Wut oder Hilflosigkeit den unwiderstehlichen Drang auslösen, der Realität zu entfliehen. Für den Nachmittag standen noch alltägliche Erledigungen auf dem Plan. Die kommende Nacht würde Zoe nicht in ihrem Bett verbringen.

Kapitel 3
    N achts waren alle Straßen grau. Das Kopfsteinpflaster lag im dämmrigen Licht vor Zoe, übersät von Unrat, wie man ihn nur dort findet, wo sich viele Menschen aufhalten. Um diese Zeit waren nicht mehr viele unterwegs, da die nicht Ortsansässigen längst das nahegelegene Pydna erreicht hatten. Die Bewohner von Kastellaun hingegen hatten sich, ihre Partymeile ignorierend, längst zur Nachtruhe begeben. Nebelschwaden zogen über den Asphalt, auf dem Zoes Absätze laut widerhallten. Obwohl es eine laue Sommernacht war, fröstelte sie, wenn der Wind über ihren nackten Bauch strich. Sie zog ihre Jacke fester um sich. Die wenigen Fenster, hinter denen warmes Licht schien, stachen unter all den blinden Augen der Fachwerkfassaden deutlich hervor. Obwohl die verkehrsberuhigte Straße genügend Platz bot, hielt Zoe sich nah an den Häuserwänden. Den Weg hätte sie mit verbundenen Augen gehen können. Wenigstens regnete es nicht, denn wie gewohnt hatte sie ihr Auto außerhalb des Ortes geparkt. Vereinzelt tauchten verspätete Feierlustige auf und eilten in Richtung Pydna. Ihr ausgelassenes Lachen wirkte störend in der schlafenden Stille.
    Zoe zählte ihre Schritte, um Ordnung in ihre Gedanken zu bringen. Es war wieder einer dieser Tage, an dem einfach etwas anders war, sich alles verkehrt anfühlte. Als liefe das Wasser plötzlich anders herum in den Abfluss. Sie ging diesen Weg oft und fühlte sich stets sicher in ihrem schillernden Panzer, wie sie ihre Verkleidung nannte. Doch seit sie wusste, dass Boris wieder in der Gegend war, musste sie damit rechnen, ihm spätestens in der Hochburg der Partys erneut zu begegnen. Im Gegensatz zu Birkheim glich der Stadtrand von Kastellaun einer völlig anderen Welt. Einer Welt, in die Zoe sich ausschließlich als die Andere begab.
    Schwungvoll umrundete sie eine Pfütze, damit ihre Pumps nicht nass wurden. Dafür, dass sie sonst nur flache Schuhe trug, bewegte sie sich überraschend leichtfüßig auf Stöckelschuhen.
    Ihr zweites Ich freute sich gerade diebisch auf ein Zusammentreffen mit Boris und war sich dessen auch noch vollkommen sicher. Zoe musste sich immer wieder aufs Neue an das Selbstbewusstsein ihrer Nachtgestalt gewöhnen. Sie schüttelte sachte den Kopf, um diesen seltsamen Gedanken zu vertreiben. Sie war nicht sicher, ob sie Boris überhaupt

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