Die Totenmaske
war umgekehrt«, beendete Strater ihren Satz.
Zoe nickte anerkennend. »Richtig! Atropin führt ab einer bestimmten Dosierung zu Lähmungen. Dazu genügen jedoch nicht die getrockneten Blätter einer Brugmansia.« Sie warf ihm einen bedeutungsvollen Blick zu, den er mit einem Grinsen quittierte.
»Sondern?«
»Ein Serum, mit dem man wiederum Tabak oder Haschisch tränken und es anschließend rauchen kann«, schloss Zoe.
»Das würde bedeuten, dass die drei jungen Männer den oder die Täter kannten, sonst hätten sie wohl kaum an einem präparierten Joint gezogen. Danach sind Lähmungserscheinungen eingetreten, richtig?« Strater jonglierte einen Kugelschreiber zwischen den Fingern, klopfte damit zwischendurch auf die Tischplatte, als handelte es sich um eine Maschinerie, die seine Gedankengänge antrieb.
Zoe nickte. Es war ihm anzusehen, dass er gerade einen ähnlichen Gedanken verfolgte wie sie. Rein hypothetisch betrachtet könnte es sein, dass der Täter Boris und seine Freunde erst hatte lähmen wollen, um sie anschließend mit einer Dosis E 605 zu töten, weil er sie nicht alle drei gleichzeitig überwältigen konnte. Demnach könnte es sich tatsächlich um einen einzeln agierenden Täter handeln.
Strater zog eifrig die Akte mit dem Bericht in seine Richtung. »Wir sollten nach einem Hinweis auf Rückstände von E 605 Ausschau halten.«
»Das könnte schwierig werden. Parathion ist nur nachweisbar, wenn gezielt danach gesucht wird, und selbst dann ist es nicht einfach – je nachdem, wie das Gift in die Körper gelangt ist.«
Zoe hielt inne, weil die Einstichstellen plötzlich einen Sinn ergaben. Ein Schauder lief ihr über den Rücken bei der perfiden Vorstellung eines mehrfachen Mörders, der seinen Opfern ein Pflanzenschutzmittel in die Lungen spritzte.
»Das lässt sich eingrenzen, allzu viele Möglichkeiten, um jemanden zu vergiften, gibt es nicht«, erwiderte Strater und rieb sich das Kinn. »Allerdings hat sich unser hypothetischer Täter ziemliche Mühe gegeben. Wollte anscheinend seine Tat genießen. Wenn wir richtig liegen, haben wir es mit einem Psychopathen zu tun.«
»Ich befürchte, so ist es.« Zoe presste kurz die Lippen zusammen, bevor sie weitersprach. »Erinnern Sie sich an die Einstichstelle auf der Brust der Leiche?«
Seine Augen weiteten sich. Er erinnerte sich offensichtlich.
»Ich verstehe nicht, warum der Mörder sich solche Umstände gemacht hat.« Zoes Mund wurde trocken. Sie trank den letzten Schluck kalten Kaffee und verzog angewidert das Gesicht. »Ich meine, es ist ohnehin grauenvoll, jemanden zu töten. Aber gleich drei und dann auch noch so geplant!«
»Gesetzt den Fall, dass wir mit unseren Vermutungen auch nur einigermaßen richtig liegen, haben wir es möglicherweise mit einer Einzelperson zu tun, die ihre Opfer kannte – ob psychopathisch oder religiös fanatisch, spielt nur zweitrangig eine Rolle.«
Der Kommissar schlug die Akte zu.
Seine Worte ließen Zoe frösteln. Unwillkürlich zogen Gesichter von Menschen an ihr vorbei – Menschen, die sie seit ihrer Kindheit kannte, mit denen sie quasi Tür an Tür lebte. Dass sich mitten unter ihnen ein kaltblütiger Mörder befinden könnte, war wirklich beunruhigend. Doch sie konnte dazu beitragen, diesen Fall aufzuklären, und nahm sich vor, ihr Bestes zu geben.
»Zumindest kann ich versuchen, herauszufinden, ob sich Parathion in den Lungen der Toten befindet. Das Gift ist ohnehin schwer nachweisbar, besonders zum gegebenen Zeitpunkt des Zersetzungsprozesses. Doch wenn es direkt in das Organ injiziert wurde, brauchen wir Proben aus der Lunge, um mögliche Rückstände aufzuspüren. Dazu könnte ich eine Bronchoskopie vornehmen.«
Zoe beugte sich über den Tisch und blickte den Kommissar zuversichtlich an. Sobald sie einen Weg finden konnte, etwas zu unternehmen, war sie in der Lage, beinahe jede Situation zu bewältigen. Der Tatendrang kam einem Motor gleich, der sie antrieb und unangenehme Empfindungen vertrieb. Untätig dasitzen und grübeln, das konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen.
Leon zog die Stirn kraus. »Dazu müssten die Leichen eigentlich erneut der Gerichtsmedizin überführt werden, um eine weitere Obduktion zu veranlassen.«
In seinen Worten schwangen unüberhörbare Bedenken mit. Natürlich war ihm bewusst, dass Zoes Vorhaben weit über den normalen Tätigkeitsbereich einer Bestatterin hinausging. Als pflichtbewusster Beamter bereitete ihm die Vorstellung, alternative
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