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Die Totenmaske

Die Totenmaske

Titel: Die Totenmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Henke
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mit dem Barkeeper zu reden, fühlte Zoe eine seltsame Ruhe in sich aufsteigen. Es gefiel ihr, dass Leon Strater anscheinend nicht auf die offensichtlichen Reize ihrer Verkleidung ansprang.
    In Gedanken versunken, blätterte sie den Stapel Briefe durch, bis ihr Blick auf das amtliche Siegel der Mainzer Polizei im Absenderfeld fiel. Der Brief war an sie adressiert.
    Zoe schluckte. Was konnte die Polizei von ihr wollen? Sie hatte sich nichts zuschulden kommen lassen. Angestrengt überlegte sie, ob sie in den letzten Wochen möglicherweise falsch geparkt oder die Geschwindigkeit überschritten hatte. Mit fahrigen Bewegungen riss sie den Umschlag auf und zerrte das Amtsblatt heraus. In fettgedruckten Lettern prangte das Wort Anhörung auf dem Brief – damit anscheinend jeder sofort wusste, was ihm blühte. Zoes Herz klopfte. Sie wusste nicht genau, was eine Anhörung bedeutete, aber die Tatsache, dass sie aufgefordert wurde, bei der Polizei zu erscheinen, erzeugte ein flaues Gefühl in ihrem Magen.
    Irritiert starrte sie auf den Brief und versuchte, einen Sinn in den Buchstaben zu finden. Ein Gemisch aus Beklemmung und Wut stieg in ihr auf, wirbelte die Worte wie Anklageschriften in ihrem Kopf umher: Anhörung als Zeugin in einer vorliegenden Strafsache – betreffend Verkehrsunfall mit Todesfolge für drei Personen.
    Sie war kaum in der Lage, den Text zusammenhängend zu lesen. Natürlich hatte sie mit ihrer Arbeit dazu beigetragen, den Unfall erneut zu untersuchen, weil sie Herrn Straters Vermutung, dass möglicherweise mehr dahintersteckte, ernst genommen hatte. Die Sache mit der abweichenden Uhrzeit auf dem Radarbild und dem Todeszeitpunkt der Opfer war schon kurios. Sie war Bestatterin und damit die letzte Person, die mit einer Leiche in direktem Kontakt stand. Dadurch konnte ihre Aussage sinnvoll sein. Allerdings war ihr das bisher nicht passiert, und alles, was sie wusste, stand im medizinischen Gutachten, welches der Polizei vorliegen sollte. Zur Polizei bestellt zu werden, bereitete Zoe beinahe so viel Unbehagen wie ein Termin beim Zahnarzt. Der Kommissar hätte sie darauf vorbereiten können.
    Da dämmerte es ihr. Das Herzklopfen verlagerte sich in ihren Hals. In ihren Ohren rauschte es. Deshalb hatte er sich nicht mehr blicken lassen! Er verdächtigte sie, in irgendeiner Form an diesen Morden beteiligt gewesen zu sein. Zoe keuchte auf. Das war lächerlich! Sie hatte ihm bei den Ermittlungen geholfen. Die Leichen versorgt, damit ihre Familien vernünftig von ihnen Abschied nehmen konnten. So etwas machte doch kein Mörder! Möglicherweise wollte er sie nur aushorchen. Als ob das nicht schlimm genug wäre, war er offensichtlich zu feige, es ihr selbst mitzuteilen! Sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. Tief in ihr drin erklang Lorettas hysterisches Gelächter, voller Hohn beschimpfte sie sich selbst als albernes Ding. Zoe sprang vom Sessel auf, das unheilkündende Blatt Papier in der Hand, und wusste nicht, was sie tun sollte.
    Ein energisches Klopfen an der Ladentür riss sie aus ihren Gedanken. Nur langsam registrierte ihr Verstand, dass ihre Füße sich fortbewegen sollten, damit sie die Tür öffnen konnte. Der Brief flatterte im Gegenwind, während sie versuchte, mit den schweren Gewichten an ihren Beinen zu gehen. Mitten im Laden blieb sie wie angewurzelt stehen. Kommissar Strater stand draußen und winkte ihr zaghaft zu. Ein abgehetzter Ausdruck lag auf seinem Gesicht, ließ sein Lächeln freudlos wirken.
    Etwas veränderte sich in Zoe bei seinem Anblick. Der winzige Freudefunke über ein Wiedersehen wurde unbarmherzig zu einer Wand aus Eis. Sie fröstelte. Ihre Wirbelsäule schien zu erstarren. Mit zusammengepressten Lippen schloss sie die Tür auf, musterte dabei unentwegt sein Gesicht, ohne wirklich zu sehen. Viel zu sehr lenkte die Enttäuschung ihre Gedanken ab.
    »Na, so was nenne ich perfektes Timing!«
    Die Entrüstung ließ sie vergessen, dass ein Beamter der Kriminalpolizei vor ihr stand. Noch bevor er den Raum betreten konnte, wandte sie sich um und knallte den Brief auf den Tresen, um ihm deutlich vor Augen zu führen, warum sie so sauer war. Sie wollte ihn nicht mehr ansehen. Es tat weh. Aber sie musste mit ihm reden, musste diese Sache klären. Er konnte doch nicht wirklich glauben, dass sie zu einer solchen Tat fähig war!
    »Frau Lenz, bitte hören Sie mir zu …« Er holte sie an der Tür zur Halle ein und griff nach ihrem Arm.
    Die Berührung ließ ihr Herz tanzen, doch

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