Die Totensammler
Flecken. Sie erinnern an Ölflecken, dunkle Kleckse auf der Treppe. Ich greife nach unten und fahre mit dem Finger darüber. Was auch immer es ist, die Flecken sind trocken, doch als ich meinen Finger im Dämmerlicht betrachte, ist er mit einer roten Pulverschicht überzogen. Könnte Blut sein. Oder Tomatensaft. Die Treppe ist jedenfalls voll davon.
Ich verlasse das Gebäude und bin froh über die Hitze der Sonne. Ich lehne mich gegen den Wagen und starre das Gebäude an. Keine Spur von Cooper. Keine Spur von Emma Green. Keine Spur von der Person, die meinen Kater getötet hat. Lediglich Möbel, Arbeitsflächen mit freien Stellen im Staub und eine Kellertreppe voller Flecken, bei denen es sich um einen Tag oder fünf Jahre altes Blut handeln könnte.
Auf der Fahrt zurück in die Stadt – ich befinde mich immer noch auf einer der schmalen Straßen im Nirgendwo –, komme ich auf einmal an Schroder vorbei. Er steht mit einem anderen Detective am Straßenrand, vor einer auf der Motorhaube ausgebreiteten Karte, während hinter ihnen zwei Streifenwagen warten. Das heißt, er fährt nach Grover Hills, weil er glaubt, dass er Cooper Riley dort findet. Er schaut auf, und als er mich erkennt, schüttelt er langsam den Kopf. Ich grüße ihn im Vorbeifahren. Für etwa zwei Sekunden verdreht er die Augen und grinst, dann schaut er wieder finster drein und wendet sich der Karte zu. Meine Reifen wirbeln Dreck auf, und eine Wand aus Staub schiebt sich zwischen ihn und meinen Rückspiegel, während ich zum Highway zurücksteuere.
Ich komme an denselben Weiden vorbei. Und dieselben Typen pflügen mit denselben Traktoren dieselben Felder und treiben dieselben Viehherden hin und her. Ich fahre am Gefängnis vorbei. Etwa hundert Meter hinter dem Ortsschild, direkt am Straßenrand, liegt eine tote, mit Fliegen übersäte Kuh. Ich rolle die Memorial Avenue hinunter, mit ihren großen, abweisenden Häusern und den noch größeren Bäumen davor; dieser Stadtteil sagt laut und deutlich: Familien mit Kohle. Auf den Veranden sitzen juwelenbehangene Frauen und kommandieren die Gärtner herum. Es herrscht dichter Verkehr, und nur die Klimaanlage im Mietwagen sorgt dafür, dass ich nicht den Verstand verliere. In der Stadt finde ich gegenüber dem Museum einen Parkplatz, wo ungefähr vierzig asiatische Touristen neben einem Bus stehen und sich gegenseitig fotografieren; sie lächeln und winken; ihnen scheint nicht klar zu sein, dass die Polizei in ein paar Tagen vielleicht ihre Fotos durchsehen wird, weil einer von ihnen verschwunden ist. Ich füttere die Parkuhr; für drei Dollar darf ich eine Stunde parken – die Gier der Stadtverwaltung steht der von Verbrechern in nichts nach. Ich laufe die dreißig Meter zum Eingang des botanischen Gartens. Seine Vorderseite wird von einem grünen, in Stein und Mörtel eingelassenen Gitterzaun gesäumt, der mit Vogelscheiße überzogen ist. Unterwegs kaufe ich eine Zeitung, reiße die Titelseite ab und werfe den Rest in einen Altpapiercontainer.
Der botanische Garten ist jener Ort in der Stadt, wo die Pflanzen auf jeden Fall gegossen werden, denn er ist eine der Haupttouristenattraktionen. Das Gelände umfasst dreißig Hek tar, und der Avon River windet sich durch die Anlage wie eine dicke schwarze Schlange. Man kann über Christchurch sagen, was man will, aber das hier ist mit Sicherheit einer der schönsten Flecken des Landes. Wo man auch hinschaut, überall farbenprächtige Blumen, die in voller Blüte stehen. Einige Wege werden von Tulpen gesäumt, andere von immergrünen Sträuchern. Bäume, Sträucher und Enten, alle leben in Eintracht miteinander, hier ist die Natur mit sich im Einklang.
Viele Besucher genießen den Tag, die meisten sitzen im Schatten. Auf dem Rasen haben es sich mehrere Pärchen bequem gemacht, die Männer liegen mit dem Rücken im wei chen Gras, während die Frauen rittlings auf ihnen hocken; unter den wallenden Röcken ist ein eifriges Reiben und Stoßen im Gange. Kinder in Kajaks paddeln den Avon River hinauf, bespritzen sich gegenseitig mit Wasser und haben ihren Spaß. Ich gehe zu dem Häuschen mit der Touristeninformation. Die ziemlich übergewichtige Frau hinter dem Tresen, der nicht klar ist, dass das Tragen eines hautengen Tank Tops in ihrem Fall ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist, sagt mir, wo ich Jesse Cartman finde. Ich folge ihrer Beschreibung zu einem riesigen Gewächshaus in der Mitte der Anlage, der Heimat von etwa zweitausend Farnen, mit einem
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