Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Totensammler

Die Totensammler

Titel: Die Totensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PAUL CLEAVE
Vom Netzwerk:
getroffen.«
    »Was?«
    »Wir haben die Kugel im Zaun gefunden. Es klebten Stofffasern und Blut daran, also musst du ihn irgendwo getroffen haben. Und auf dem Rasen, zwischen den Identifikationsschnipseln des Elektroschockers, waren Blutstropfen, und von dort führte eine Spur zur Straße. Nicht viel, er ist nicht ernsthaft verletzt, aber du hast ihm ordentlich eine verpasst.«
    Während ich aus dem Krankenwagen steige, stützt Schroder mich ein wenig. Zunächst stakse ich unbeholfen wie ein junges Fohlen umher, und er muss mir für ein paar Sekunden unter die Arme greifen. Mein Kopf tut immer noch weh. Ich kann mich erinnern, wie ich die Pistole gezogen habe. In der unverletzten Hand hatte ich das Telefon und mit der bandagierten griff ich nach der Waffe. Deshalb dauerte alles einen Sekundenbruchteil länger. Ich konnte nicht so gut zupacken. Hätte ich einen Moment mehr Zeit gehabt, hätte ich richtig zielen können. Und die Sache wäre jetzt vorbei. Allerdings läge Adrian dann mit einer Kugel im Kopf in meinem Garten, und mit seinem zerfetzten Gehirn wäre auch das Wissen um Emma Greens Aufenthaltsort zerstört.
    Der Krankenwagen steht vor meinem Haus. Neben Spritzern, bei denen es sich offensichtlich um Blut handelt, wurden kleine Plastiktafeln aufgestellt. Wir gehen in den Garten. Insgesamt sechs Personen schauen sich dort um. Ich sehe sie alle nur leicht unscharf. Sämtliche Lichter in meinem Haus sind eingeschaltet, und draußen wurden mehrere große Lampen aufgebaut. Meine Nachbarn spähen weiter über den Zaun.
    Jane Tyrone hängt immer noch dort, wo ich sie zuletzt gesehen habe. Ein Seil ist um ihren Brustkorb und unter den Achselhöhlen hindurchgeschlungen, es läuft um den Schornstein und ist am Bein des Gartentisches festgebunden. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass Adrian sie dort hochgehievt hat. Dank dem Zaun hätte keiner was mitgekriegt. Sachte dreht sich ihre Leiche um etwa hundert Grad, dann hält sie still und bewegt sich langsam wieder in die andere Richtung. Sie ist aufgedunsen, und neben ein paar wenigen Hautfetzen sieht man rohes Fleisch und Knochen. Über ihre Brust verläuft eine große Kerbe, offensichtlich von der Schaufel, mit der sie ausgegraben wurde. Sie ist nackt und mit Erde bedeckt. Einige Körperteile bewegen sich ein wenig, und mir wird klar, dass in ihrem Innern Käfer herumkrabbeln. Die dunklen Überreste ihres Gesichts hängen schlaff herab, Hautfetzen haben sich gelöst, und ihre Hände wirken, als würde sie um zwei Nummern zu große Handschuhe tragen.
    »Hat irgendjemand was gesehen?«, frage ich.
    »Eine ganze Reihe Leute haben den Schuss gehört«, sagt Schroder, »und die meisten von ihnen haben aus dem Fenster geschaut. Wir haben ein paar Beschreibungen, die auf Adrian Loaner passen, sowie eine Beschreibung des Wagens.«
    »Ist das alles?«
    »Mehr war nicht rauszukriegen. Wenigstens hat er diesmal nicht alle deine Akten mitgenommen.«
    »Erinner mich dran, ihm dafür zu danken«, sage ich. »Wir sind also genauso schlau wie vorher, willst du mir das damit sagen?«
    »Nein. Jetzt wissen wir, dass er für dich ebenfalls eine Obsession hegt.«
    Ich atme langsam aus. »Kann man sie denn nicht abneh men?«, frage ich und deute mit dem Kopf auf das tote Mädchen.
    »Noch nicht.«
    »Mensch, Carl, sie hängt lang genug da.«
    »Noch nicht, Tate. Du weißt, wie das hier läuft.«
    »Verdammt«, sage ich und werde erneut von Übelkeit überwältigt. Ich muss in die Hocke gehen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
    »Alles okay?«
    »Nein, nichts ist okay«, sage ich, ich klinge wütend, und das will ich auch. »Ich habe dich vorhin angerufen, weil ich dir was mitteilen wollte. Verdammt, es war wichtig.«
    »Es wird dir schon wieder einfallen.«
    Ich schließe die Augen. Ich hasse es, wenn jemand so etwas sagt, doch noch mehr hasse ich es, wenn ich vergesse, was ich gerade sagen wollte, bevor ich es ausgesprochen habe. Und genauso fühlt sich das jetzt an. Ich drücke die Augen noch fester zu, in der Hoffnung, dass es hilft. Ich habe hier im Garten gestanden, während ich mit Schroder telefoniert habe, ich habe an Emma Green und an Grover Hills gedacht und daran, wo Adrian seine Sammlung aufbewahren könnte. Grover Hills … für eine gewisse Zeit hat Christchurch sich große Mühe gegeben, psychisch kranke Menschen vor den Augen der Öffentlichkeit zu verstecken, bis man begriff, dass dafür hundert Anstalten nötig wären, also wurden die drei existierenden

Weitere Kostenlose Bücher