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Die Totensammler

Die Totensammler

Titel: Die Totensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PAUL CLEAVE
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Vororten gehen die Leute abends selten aus. Und er hat es sich ebenfalls angewöhnt, nicht auszugehen. Nachts wollte er sich um keinen Preis außerhalb der Wände der offenen Einrichtung aufhalten.
    Er könnte zu einem Krankenhaus fahren. Er kann zwar nicht hineingehen, aber er könnte eine der Schwestern dazu bringen, nach draußen zu kommen, damit sie ihn verarztet. Er müsste sie dazu zwingen. Er könnte ihr die Pistole an den Kopf halten, dann würde sie schon einwilligen. Allerdings könnte ihn jemand dabei beobachten. Das Krankenhaus ist ein öffentlicher Ort.
    Was dann?
    »Warum hast du mir nicht geholfen?«, sagt er zu seiner zweiten Mutter. Hätte sie ihm von vornherein zur Seite gestanden, wäre das alles nicht passiert.
    Wieder fährt er rechts ran und denkt angestrengt nach. Die einzige Person, die ihm jetzt helfen würde, wäre jemand, der ihn nicht kennt, jemand, der sich noch keine Meinung über ihn gebildet hat.
    Kapitel 45
    Wir teilen uns in zwei Teams auf. Diesmal lässt Schroder mich mitkommen. Entschlossen und voller Tatendrang fahren wir zum Eastlake Home, das andere Team bricht Richtung Sunnyview Shelter auf. Da Adrian Loaner eine Pistole hat, werden wir von Spezialeinheiten begleitet. Wir fahren aus der Stadt raus, vorbei am Gefängnis, an den Feldern und Weiden, doch in der Dunkelheit kann man sie nicht erkennen. Auf der Schnellstraße gibt es keine Laternen, nur verblasste weiße Linien in der Mitte der Straße, die die Fahrzeuge auf der einen Seite davon abhalten, frontal mit denen auf der anderen zusammenzustoßen. Auf den Dächern der Polizeiwagen rotieren rotblaue Blinklichter, ein Autocorso, zielstrebig und unauf haltsam, der die Fahrzeuge vor uns auffordert, verdammt noch mal Platz zu machen.
    Außer mir sind alle bewaffnet. Ich habe noch nie erlebt, dass Schroder so schnell gefahren ist, und das wirkt sich nicht gerade günstig auf meine Kopfschmerzen und meine Übelkeit aus. Wir erreichen einen weiteren Abschnitt aus Schotterpisten, doch Schroder bremst kaum ab, erst als sich die Straßen in ein regelrechtes Labyrinth verwandeln. Die Feldwege sehen alle gleich aus, und das GPS-Gerät an Schroders Armaturenbrett weiß offensichtlich auch nicht, wo Eastlake liegt. Schließlich drosseln die Streifenwagen das Tempo, und einige von uns steigen aus und stellen sich an den Straßenrand. Die blinkenden Lichter tauchen unsere Haut zunächst in einen roten, dann in einen blauen Schein, bevor sie sich zu einem Lila vermischen. Wir haben es eilig und sind frustriert, wir fluchen, weil es so schwer ist, hier draußen irgendwas zu finden. Ein Anruf bei den Reportern hätte genügt, und wir hätten ihnen folgen können. Die Luft ist warm und stickig, aber hier draußen ist es frischer als in der Stadt. Ein ganzer Mottenstamm, Tausend oder mehr Tiere, schwirrt in den Scheinwerfern herum, und hin und wieder verirrt sich eine von ihnen in unsere Gesichter. Wir holen unsere Straßenkarten hervor und be raten uns, bis wir uns schließlich auf eine Richtung geeinigt haben. Schroder fährt erneut vorneweg, und wir sitzen schweigend da. Ein paar Minuten später halten wir hundert Meter von einer Auffahrt entfernt, die von Eichen gesäumt ist. Er schaltet das Licht aus, und die anderen Autos kommen hinter uns in einer Reihe zum Stehen und tun dasselbe. Jetzt herrscht rabenschwarze Nacht. Hier draußen gibt es kein Streulicht aus der Stadt, nirgends hat man einen klareren Blick auf die Sterne als hier. Außer man fliegt zu ihnen hinauf. Der fast volle Mond taucht die Felder in ein fahles Licht, und man kann verschiedene Umrisse ausmachen, von Zaunpfählen und Bäumen und von schwarzen Gegenständen in der Größe eines Autos, bei denen es sich um so ziemlich alles handeln könnte.
    »Warte hier«, sagt Schroder.
    »Du verarschst mich.«
    »Ich mein’s ernst. Wenn du den Wagen verlässt, werde ich dich eigenhändig erschießen.«
    »Lass mich nicht betteln. Verdammt, Carl, ohne mich wärst du gar nicht hier.«
    »Vielleicht hast du recht. Am besten, du wirfst dich direkt in die Schussbahn. Ich erledige gerne den Papierkram, Hauptsache, ich bin dich dann los.«
    Ich beobachte durch die Windschutzscheibe, wie die Spezialeinheit langsam vorrückt, sechs Personen in Schutzkleidung dunkel wie die Nacht, die zehn Meter von mir entfernt aus dem Blickfeld verschwinden. Schroder tritt zum Kofferraum des Wagens und streift eine kugelsichere Weste über, dann reicht er mir ebenfalls eine. Ich stecke die Arme durch die

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