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Die Totensammler

Die Totensammler

Titel: Die Totensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PAUL CLEAVE
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gefunden.«
    »Hmm, ist das so? Und was denken Sie?«
    »Ich denke, dass sie dort unten irgendetwas angestellt haben.«
    »Damit liegen Sie richtig. Aber es wäre dumm, sonst ir gendwas von dem zu glauben, was Jesse Cartman Ihnen erzählt hat. Der Bursche tickt nicht ganz richtig«, sagt er und tippt sich gegen den Hut. »Keiner von denen.«
    »Und Sie?«
    »Wir glauben alle, dass wir die Wahrheit sagen, mein Sohn, aber es gibt einen großen Unterschied: Was ich glaube, ist tatsächlich passiert.«
    »Dann lassen Sie mal hören.«
    Er nimmt einen großen Schluck von seinem Bier. »Ich könnte Ihnen schon was erzählen«, sagt er, »aber so wie’s aussieht, haben Sie bisher jeden für seine Sicht der Dinge bezahlt. Warum sollte es bei mir also anders sein?«
    »Weil Sie wie jemand wirken, der seinen Stolz hat«, sage ich, »und nicht wie jemand, der etwas für sich behält, obwohl er damit das Leben eines siebzehnjährigen Mädchens retten könnte.«
    »Das stimmt«, sagt er, »aber ein Mann muss auch wissen, wovon er seinen nächsten Drink bezahlt.«
    »Ich gebe Ihnen was, wenn das hier vorbei ist. Versprochen.«
    »Glauben Sie jetzt nur, dass Sie die Wahrheit sagen, oder halten Sie sich auch daran?«, fragt er.
    »Ich halte mein Versprechen.«
    Er nimmt einen weiteren Schluck und mustert mich für ein paar Sekunden eingehend. Um mich einzuschätzen , würde er wohl sagen. »Klingt gut«, sagt er, leert sein Bier und öffnet ein weiteres. »Möchten Sie auch eins?« Ich schüttle den Kopf. »Es fing ganz harmlos an, wissen Sie«, sagt er. »Vor etwa fünfzehn Jahren. Da kam so ein junger Bursche zu uns. Ein kleines arrogantes Arschloch. Gerade mal zwanzig Jahre alt. Vielleicht auch fünfundzwanzig, aber nicht älter. Wir wussten alle, dass er nicht verrückt war, sondern einfach nur böse. Das sind zwei völlig verschiedene Dinge, nur dass das Gericht diesen Unterschied nicht bemerkt hat. Er hat sich ständig damit gebrüstet, dass er sie reingelegt hätte, und uns erzählt, wie clever er in Wirklichkeit ist und dass er in ein paar Monaten wieder auf freiem Fuß wäre. Das Gericht hatte ihn eingewiesen, weil er ein Mädchen getötet hatte. Weil er Lust dazu hatte, hat er gesagt. Ein junges hübsches Mädchen, nicht älter als zehn Jahre. Er war eine Woche bei uns, als der Vater des Mädchens auftauchte. Ich sehe ihn immer noch vor mir, draußen auf dem Parkplatz. Er wirkte nervös, als müsste er all seinen Mut zusammennehmen, um ein ungeheuerliches Ansinnen vorzubringen. Haben Sie so was schon mal erlebt? Das tiefe Unbehagen darüber stand ihm ins Gesicht geschrieben. Ein Blick genügte, und ich wusste, was er wollte. Als er eine Person in weißer Arbeitskleidung entdeckte, ging er zu ihr hinüber, und diese Person sah dasselbe wie ich. Ich habe nie erfahren, was er genau gesagt hat, aber ich wusste Bescheid. Es gab in der Klinik einen Fernseher. So bekamen einige von uns mit, was draußen in der Welt vor sich ging, und mir war klar, wer er war. Der Pfleger, mit dem er sprach, war einer der Zwillinge. Damals diente das Schreizimmer nur dazu, die Patienten zu bestrafen. Dort unten passierten zwar schlimme Dinge, aber immer innerhalb bestimmter Grenzen. Der Vater bot ihnen Geld an. Er wollte etwas Zeit allein mit dem Burschen verbringen, der seine Tochter getötet hatte. Und die Zwillinge nahmen das Geld. Nachdem die meisten Schwestern und Mitarbeiter Feierabend gemacht hatten, kehrte der Vater noch in derselben Nacht zurück. Ich hab von meinem Fenster aus be obachtet, wie er auf den Parkplatz bog und eine Stunde später wieder fortfuhr. Und dieser junge Bursche ist nie wieder aufgetaucht.«
    »Wie oft ist so was passiert?«
    Er nimmt einen großen Schluck von seinem Bier und wischt sich mit dem Handrücken über den Mund. »Nur das eine Mal. Es kursierten allerdings Gerüchte. Wenn Sie glauben, die Gerüchte, die Ihnen hier draußen zu Ohren kommen, wä ren eine hässliche Sache, sollten Sie erst mal hören, was in einer Nervenklinik so geredet wird, mein Sohn. Da könnte man glatt meinen, dass Elvis sich dort zusammen mit Jesus ein Zimmer teilt. Wie auch immer, so fing es an. Danach veränderten sich die Zwillinge. Irgendwie gab ihnen das einen Kick. Das Schreizimmer diente jetzt nicht nur dazu, die Patienten zu bestrafen, sondern auch um sie zu foltern. Sie brachten uns dort runter, und, Scheiße, Mann, die meisten kriegten genau das, was sie verdienten. Es war, als hätte man zwei Dämonen von der Leine

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