Die Totensammler
Die Hälfte davon fehlt, glücklicherweise die Hälfte ab dem Buchstaben M. Es gibt fast hundert Hunters. Und zwei davon sind die beiden Brüder. Ich sehe die Initialen nach und finde einen M. und einen E. Hunter mit derselben Nummer. Vielleicht haben sie zusammengewohnt. Sie haben auch sonst alles geteilt, warum also nicht? Es ist einen Versuch wert. Wenn Buttons ihre Adresse nicht wusste, hat Adrian sie auch nicht gekannt. Trotzdem hat er die beiden aufgespürt, das heißt, es kann nicht so schwer sein. Wahrscheinlich hat er im Telefonbuch nachgeschlagen, ist auf die übereinstimmenden Initialen gestoßen und hat diese Spur weiterverfolgt. Ich werde es genauso machen.
Ich nehme den Telefonhörer. Er ist klebrig, und ich vermisse mein Handy. Ich werfe ein paar Münzen ein, und muss den Hörer fest gegen mein Ohr drücken, um die laute Musik abzuschirmen, die aus den Bars oder aus den vorüberfahrenden Autos dringt. Ich wähle die Nummer, doch es geht niemand dran, was ein gutes Zeichen ist, und noch besser: Der Anrufbeantworter springt an.
Sie haben den Anschluss von Ellis und Murray gewählt, wir sind momentan nicht zu Hause, aber Sie wissen ja, wie das hier läuft, wenn Sie möchten, können Sie gerne eine Nachricht hinterlassen.
Ich mache mir nicht die Mühe, auf den Anrufbeantworter zu sprechen.
Ich spüre, wie das Adrenalin durch meinen Körper schießt. Es ist gleich halb drei, und ich komme mit dem Wagen zügig vorwärts. Entweder sind die Jugendlichen mit ihren aufgemotzten Karren weitergefahren oder in einem anderen Teil der Innenstadt liegen geblieben. Ich rase die Straße entlang, zwanzig Stundenkilometer schneller als erlaubt, und werde mehrmals geblitzt. Da ich im Wagen eines Detectives unterwegs bin, wird man die Strafzettel einfach verschwinden lassen. Das Haus der Hunters liegt in einem Stadtteil, wo keine schrottreifen Autos in den Vorgärten stehen, ja, es ist ein hübsches Viertel. Die meisten Häuser sind offensichtlich nicht älter als zehn Jahre, und man kommt nicht alle naselang an einem abgesperrten Tatort vorbei. Vor dem Haus steht kein Auto. Einen Block weiter unten fahre ich rechts ran, schnappe mir eine Taschenlampe und laufe zurück. Mein Herz rast. Adrian hat meine Pistole, einen Elektroschocker und wer weiß was noch. Zunächst werfe ich einen Blick durchs Garagenfenster. Im Innern steht ein Wagen – nicht der von Emma Green –, neben dem noch Platz ist für ein weiteres Fahrzeug. Im Haus brennt kein Licht. Ich richte meine Taschenlampe auf den Hintereingang, setze eine Sperrpistole an, drücke ein paarmal den Abzug, und dreißig Sekunden später bin ich drin. Mit einem kräftigen Tritt wäre die Tür zwar schneller aufgegangen, aber sie wirkt sehr viel stabiler als die an Jesse Cartmans Haus, außerdem habe ich mir da auch keine Mühe gegeben, leise zu sein. Kaum habe ich den Flur betreten, kann ich das Piepen eines Anrufbeantworters hören. Als wäre er ganz außer sich. Als wollte er unbedingt seine Geheimnisse loswerden. Ich leuchte voraus und achte darauf, wo ich hintrete. Im Wohnzimmer hängen Fotos von Murray und Ellis, und es besteht kein Zweifel, dass es sich um die beiden Männer aus den Gräbern handelt. Mitten im Zimmer befindet sich ein großer Blutfleck, an dem Haare kleben und etwas, das stark an Knochensplitter erinnert. Vor der Haustür ist noch mehr Blut, und auf dem Teppich sind Schleifspuren.
Ich gehe von Zimmer zu Zimmer. Ohne Ergebnis. Und nichts deutet daraufhin, dass Cooper Riley oder Emma Green je hier waren.
»Mist«, sage ich und trete gegen die Wand, mein Schuh durchbohrt den Rigips. Aus dem Loch rieselt weißer Staub auf den Teppich. Er sieht aus wie Koks, und das erinnert mich an einen Fall, den ich vor fünf Jahren zusammen mit Schroder bearbeitet habe. Als wir damals ein Haus stürmten, ließ der Bewohner seine Drogen aus Versehen auf den Teppich fallen und fing dann an, das Zeug durch die Nase zu ziehen, um die Beweise zu vernichten, so viel, dass er fast draufgegangen wäre.
Wo zum Henker können Emma und Cooper nur stecken? Es gibt keine weiteren leer stehenden Nervenkliniken. Ich könn te mir höchstens noch vorstellen, dass Adrian sich im Haus eines anderen Opfers versteckt hat. Ich schließe die Hintertür, falls Adrian zurückkehrt. Das ist meine einzige Hoffnung. Ich stehe wieder ganz am Anfang, ich habe nicht die geringste Ahnung, wo Emma Green gefangen gehalten wird.
Ich denke über das nach, was Buttons gesagt hat: dass die Zwillinge
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