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Die Totensammler

Die Totensammler

Titel: Die Totensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PAUL CLEAVE
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böse sind. Er war überzeugt, dass sie weiter Menschen gequält oder sogar getötet haben. Ich fange an, mich im Haus umzusehen, ohne zu wissen, wonach ich eigentlich suche, trotzdem schaue ich überall nach. Vielleicht stoße ich auf ein Fotoalbum oder so was. Ich schalte den Computer ein, lese die E-Mails durch. Ich sehe in der Dachkammer nach, unter den Teppichen in den anderen Zimmern – und als ich eine Stunde später die Wandschränke auf lose Holzdielen überprüfe, werde ich schließlich fündig. Im Boden befindet sich ein Pappkarton. Ich öffne ihn. Und breite den Inhalt vor mir aus. Insgesamt neun Brieftaschen, in jeder eine Kreditkarte, ein Führerschein und Fotos von Ehefrau oder Kindern; in keiner befindet sich Bargeld. Drei der Namen kenne ich aus meinen letzten Jahren bei der Polizei – Personen, die spurlos verschwunden waren. Ein weiterer Name kommt mir ebenfalls vage bekannt vor.
    Ich verbringe zwanzig Minuten damit, auf dem Computer die Namen in eine Online-Pressedatenbank einzugeben. Neun Namen, und zu jedem gibt es eine Geschichte. Neun Männer, die alle verschwunden sind, nachdem die Zwillinge Grover Hills verlassen hatten. Neun Männer, die bis heute vermisst werden. Sehr unterschiedliche Männer, Familienväter, Singles, ein Anwalt, ein Installateur, mehrere Arbeitslose, der Jüngste neunzehn, der Älteste fünfundvierzig Jahre alt. Und alle teilen sie ein schlimmes Schicksal, wenn man nach dem Pappkarton unter den Holzdielen im Wandschrank geht.
    Buttons hat gesagt, dass den Zwillingen zum ersten Mal klar wurde, was möglich ist, als der Vater dieses Mädchens sie aufsuchte, um sich für ihren Tod zu rächen. Ab da benutzten sie den Schreiraum in Grover Hills als Ventil. Und dann waren sie plötzlich verschwunden. Und richteten sich ein eigenes Schreizimmer ein. Bloß wo? Jedenfalls nicht hier. Nicht in diesem Teil der Stadt. Keines der Zimmer hier würde einen Schrei vor der Außenwelt abschirmen, und in einer Gegend wie dieser würden die Nachbarn sofort die Polizei verständigen.
    Wo also? Wo zum Henker befindet sich ihre Folterkammer? Und warum haben sie nicht im selben Haus gewohnt? Warum haben sie die Trophäen hierhergebracht?
    Weil sie hier gewohnt haben. Vielleicht war es von hier näher zu ihrer Arbeit. Und sie wollten ihre Trophäen bei sich haben.
    Ich sehe noch mal alles durch. Blättere in ihrem Adressbuch. Und bleibe an einem Namen hängen, den ich kenne. Edward Hunter. Sein Vater war es, der im Knast niedergestochen wurde. Edward saß ebenfalls ein, wegen zweifachen Mordes, allerdings kam er erst einige Tage nach dem Vorfall ins Gefängnis. Sein Vater war zwanzig Jahre zuvor wegen des Mordes an elf Prostituierten verurteilt worden. Sind sie mit Ellis und Murray verwandt? Liegt das Verlangen, Menschen zu töten, in der Familie?
    Ich blättere den Rest des Adressbuchs durch. Dann gehe ich zu dem Wagen in der Garage und suche nach einem GPS-Gerät, für den Fall, dass dort eine Adresse eingegeben wurde, doch im Innern liegt nur eine Karte, und darauf sind weder Kreise noch Kreuze eingezeichnet. Ich sehe Ordner und Kartons mit Rechnungen durch und finde einen Beleg über die Kommunalsteuer, aber nur für dieses Haus. Sollten sie noch woanders ein Grundstück besessen haben, gibt es hier keine Unterlagen dazu. Sollten sie noch für ein anderes Haus Strom bezahlt haben, wurden die Rechnungen dorthin geschickt. Irgendwo gibt es ein Schreizimmer, vielleicht in einer Hütte in den Wäldern, vielleicht in einem Gebäude mit schalldichtem Keller, aber hier gibt es keinerlei Hinweis darauf.
    Dennoch, irgendwo muss es sein. Und dort sind auch die anderen. Ein Schreizimmer, darum geht es hier.
    Und ich frage mich, ob Edward Hunter womöglich weiß, wo es sich befindet.
    Plötzlich werde ich von einer bleiernen Müdigkeit überwältigt. Es ist fast halb sieben Uhr morgens, und als ich das Haus der Hunters verlasse, ist es bereits hell. In gemächlichem Tempo fahre ich nach Hause, nicht wegen des Verkehrs – die Straßen sind leer –, sondern weil mir die Müdigkeit einflüstert, dass es jetzt nichts Schöneres gäbe, als gegen einen Laternenpfahl zu fahren und einzuschlafen.
    Vor meinem mit Absperrband versiegelten Haus stehen mehrere Streifenwagen. Ich habe ganz vergessen, dass ich nicht hierher zurückkehren sollte. Ich wechsle kurzerhand die Fahrzeuge, steige in den Mietwagen und steuere zum nächstgelegenen Motel. In der trüben Morgendämmerung sieht es ganz okay aus, und da in der

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