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Die Totensammler

Die Totensammler

Titel: Die Totensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PAUL CLEAVE
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rechts, und sie hätte sich tief in sein Bein gebohrt und eine der Hauptvenen zerfetzt. Dann wäre er jetzt tot. Obwohl er daran gerieben hat, blutet die Wun de nicht mehr so stark wie vorhin. Die Dusche tut ihm gut. Er hat das Wasser auf kalt gestellt, und bleibt so lange unter dem Strahl, bis die Innenflächen seiner Finger schrumpelig werden, dann klettert er heraus und trocknet sich ab. Die Wunde hat aufgehört zu jucken, trotzdem muss er sie verarzten.
    Er will sein Bein nicht verlieren.
    Will noch nicht sterben.
    Kann nicht ins Krankenhaus.
    Und er möchte nicht im Bett von einem der Zwillinge liegen, weil die Entzündung davon nur noch schlimmer wird.
    Während er ein sauberes Stück Verbandsmull gegen die Wunde drückt, geht er nach draußen, in der anderen Hand hat er Coopers Manuskript. Er setzt sich auf die Veranda. Dort steht ein Schaukelstuhl aus Holz, in dem zwei Personen Platz haben. Er fängt an, langsam vor und zurück zu schaukeln, und das entspannt ihn. Es ist noch zu dunkel, um zu lesen, aber er hat keine Lust, noch mal reinzugehen und die Verandabeleuchtung einzuschalten. Die Felder ringsum werden vom Mond in ein bläulich weißes Licht getaucht. In vier bis fünf Stunden wird der Himmel sich langsam aufhellen. Er hat das noch nie gesehen, und plötzlich will er unbedingt seinen ersten Sonnenaufgang erleben. Ihm gefällt die Vorstellung, dass Cooper und er eines Tages hier draußen auf der Veranda sitzen und den Anblick gemeinsam genießen.

    Kapitel 51
    Ich treffe erneut auf die Jugendlichen mit ihren aufgemotzten Karren. Sie schieben sich langsam vorwärts, lassen ihre Scheinwerfer aufblitzen und betätigen die Hupe. An einer Kreuzung, die von ihnen blockiert wird, muss ich neben ihnen herfahren, und als gar nichts mehr weitergeht, schalte ich meine Sirene an. Doch das macht alles nur noch schlimmer, denn jetzt lassen sie mich erst recht nicht vorbei. Ich brauche fünfzehn Minuten, bevor ich sie hinter mir lassen kann. Der Polizeifunk verkündet weitere Neuigkeiten: Inzwischen sind über zweitausend Autofreaks unterwegs, es gab sechs Verhaftungen, sechs Fahrzeuge wurden abgeschleppt, ein Fußgänger wurde angefahren und mit leichten Verletzungen ins Krankenhaus ge bracht. Mittlerweile gibt es mehr Autofreaks als Polizisten oder als sämtliche Gangmitglieder im ganzen Land; sie sind eine wahre Seuche, für die es kein Gegenmittel gibt.
    Ich parke vor der offenen Einrichtung und wünschte, ich wäre bewaffnet. Heute führen keine Bandenmitglieder ihren Hund Gassi, also riskiere ich es und steige aus. Es sind mindestens zwanzig Grad, und die Achseln meines T-Shirts sind klitschnass.
    Buttons sitzt mit einem Bier in der einen und einer Zigarette in der anderen Hand auf der Veranda vor dem Haus. Es ist fast halb zwei. Er trägt immer noch denselben Filzhut und dasselbe Hemd und wirkt immer noch deplatziert, so wie vorhin, als er mir geöffnet hat.
    »Sie sind noch spät auf«, sage ich.
    »Ich brauche nicht viel Schlaf. War schon immer so. Ich wusste, dass Sie zurückkommen«, sagt er. »Ritchie ist oben in seinem Zimmer und schläft wahrscheinlich tief und fest. Er kann Ihnen nicht viel erzählen.«
    »Ich bin nicht hier, um mit ihm zu reden«, sage ich.
    »Ach ja? Suchen Sie den Priester? Er ist irgendwo im Haus.«
    Ich schüttle den Kopf. »Ich bin hier, um mit Ihnen zu reden. Jesse Cartman meinte, Sie könnten mir was über die Zwillinge erzählen.«
    »Jesse Cartman, ja?«, fragt er, dann nimmt er einen großen Schluck. »Was hat er noch erzählt?«
    »Er hat Sie Buttons genannt«, sage ich und betrachte die Innenseite seines Arms, die mit einer schnurgeraden Linie aus Brandwunden überzogen ist, alle in der Größe und Form von Knöpfen. »Wie heißen Sie?«, frage ich. »Wie heißen Sie wirklich?«
    »Henry. Henry Taub«, sagt er, ohne mir die Hand zu geben.
    »Waren Sie auch in Grover Hills?«
    »Fast dreißig Jahre, mein Sohn«, sagt er.
    »Das hat der Priester gar nicht erwähnt«, sage ich.
    »So was tut er nicht«, sagt Henry. »Da kann man sich auf ihn verlassen.«
    »Sie wissen also, was dort alles passiert ist?«
    Er lächelt sanft. »Fast alles. Sie wollen was über die Zwillinge erfahren, richtig?«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Mir war klar, dass eines Tages jemand nach ihnen fragen würde. Was hat Cartman Ihnen erzählt, mein Sohn?«
    »Dass sie unten im Schreizimmer Patienten haben sterben lassen.«
    »Und glauben Sie das?«
    »Nein, aber es wurden mehrere Leichen

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