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Die Totensammler

Die Totensammler

Titel: Die Totensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PAUL CLEAVE
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mich auch traurig, denn sie sind ganz aus dem Häuschen, weil eine ihrer Mitstudentinnen kurz davor steht, es auf die schlimmstmögliche Weise in die Schlagzeilen zu schaffen. Gleichzeitig sind sie erleichtert, dass es nicht sie erwischt hat.
    »Der Dozent, der heute nicht aufgetaucht ist«, sage ich zu einem Mädchen mit einem Dutzend Ringen im linken Ohr und mit Haaren, die kaum länger als ihre Fingernägel sind. Sie trägt ein hautenges T-Shirt mit dem Schriftzug Minderjährige Samenbank . »Ich würde gerne mit ihm reden. Wie heißt er?«
    »Er ist sogar Professor, und er kann es nicht leiden, wenn man das verwechselt«, sagt sie und charakterisiert ihn damit in einem Satz. »Haben Sie eine Zigarette für mich?«
    »Ich rauche nicht. Und der Name des Professors?«, sage ich, denn offensichtlich hat sie vergessen, dass ich danach gefragt habe.
    »Ach ja, Cooper Riley«, antwortet sie. »Ich habe keine Ahnung, wo Sie ihn finden können. Das ist schon der zweite Tag, an dem er nicht erschienen ist. Irgendwie passt das gar nicht zu ihm, wissen Sie? Wenn man ihn so sieht, könnte man meinen, dass er in seinem ganzen Leben noch nie zu spät gekommen ist. Vielleicht liegt es an der Hitze.«
    »Vielleicht«, antworte ich und denke an den zeitlichen Ablauf, daran, dass Emma seit zweieinhalb Tagen vermisst wird und Cooper Riley seit zwei Tagen nicht erschienen ist. Riley wurde in der Akte nicht erwähnt – es gab keinen Grund, ihn zu befragen, denn Emma gilt ja erst seit gestern als vermisst. Die Studenten erklären mir den Weg zur Mensa, und ich danke ihnen für ihre Mühe. Auf dem Weg dorthin rufe ich Schroder an.
    »Sagt dir der Name Cooper Riley irgendwas?«, frage ich.
    »Nein. Wer soll das sein?«
    »Einer von Emmas Professoren.«
    »Komm schon, Tate, ich hab dir doch gesagt, das ist nicht mein Fall.«
    »Er ist weder heute noch gestern zu Arbeit erschienen.«
    »Scheiße. Und du ziehst irgendwelche voreiligen Schlüsse daraus, oder?«
    »Ich glaube, er weiß was.«
    »Vielleicht ist er krank, Tate, oder er ist nicht gekommen, weil jemand anders krank geworden ist.«
    »Jedenfalls möchte ich mit ihm reden.«
    »Es spielt keine Rolle, was du möchtest. Wir werden mit ihm reden.«
    »Mensch, Carl, ich sag dir Bescheid, so wie du das wolltest, vergessen? Ich verschweige dir nichts. Lass mich also nicht außen vor.«
    »Ich ruf dich zurück«, sagt er und legt auf.
    Die psychologische Fakultät hat ihre eigene Mensa. Dieser Fachbereich ist einer der größten an der ganzen Uni, und das charakterisiert Christchurch wohl ziemlich gut. Die Flure wirken mit ihrem Linoleumboden und den Pastellfarben wie die Gänge eines Krankenhauses. Eine Professorin erzählt mir dasselbe wie die Studenten – dass Cooper Riley seit zwei Tagen nicht zur Arbeit erschienen ist. Ich bitte sie, einen Blick in sein Büro werfen zu dürfen, doch sie erklärt mir, dass ich dafür Cooper fragen müsse.
    »Wie kann ich ihn erreichen?«
    »Sie könnten ihn anrufen, schätze ich«, sagt sie, »das heißt, Sie können es versuchen. Sein Telefon ist abgestellt.«
    Sie gibt mir seine Handy- und seine Festnetznummer, und auf dem Weg zum Wagen versuche ich es auf dem Handy. Eine Ansage teilt mir mit, dass das Telefon ausgeschaltet wurde oder kein Netz hat. Auf dem Festnetzanschluss springt ein Anrufbeantworter an mit der Nachricht, dass er zurückruft.
    Erneut wähle ich Schroders Nummer, doch es ist besetzt. Ich leihe mir ein Telefonbuch und gleiche die Festnetznummer mit Rileys Namen ab, um seine Adresse herauszufinden. Währenddessen frage ich mich immer wieder, ob Cooper Riley die letzte Person war, die Emma Green lebend gesehen hat.
    Kapitel 16
    Ein neuer Tag beginnt. Seine zweite Mutter hat immer zu ihm gesagt, dass an einem neuen Tag alles möglich ist, dass man jeden Morgen die Chance bekommt, das wiedergutzumachen, was einen am Vortag geärgert hat. Dieser Spruch hat ihm nie viel geholfen, wenn er im Schreizimmer eingesperrt war und keine Möglichkeit hatte, sich zu bewähren, aber jetzt ist das anders.
    Er hat gemerkt, dass Cooper ihn möglichst oft mit seinem Namen angeredet hat. Ihm gefällt das, ihm gefällt, dass sich zwischen ihnen was entwickelt, und wenn er seinen Namen so ausgesprochen hört, hofft er aufrichtig, dass sie sich tatsächlich näherkommen. Seine Mutter hat kaum jemals seinen Namen benutzt, nur wenn es Ärger gab und er unten im Keller eingesperrt wurde.
    Aber er weiß nicht so recht, ob Cooper wirklich versucht, eine

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