Die Totensammler
Geld, offensichtlich hat es dem Besitzer nicht gereicht, seinen Reichtum lediglich durch sein Haus zur Schau zu stellen. Ich fahre daran vorbei. Dahinter stehen zwei Autos, die garantiert nicht so wirken, als würden sie einem Detective gehören. Der kleinere Wagen vor dem Haus ist gelb und scheint nicht hierherzugehören, denn es handelt sich nicht um ein europäisches Modell. Stünde er hier länger als vierundzwanzig Stunden, würde die Müllabfuhr ihn entsorgen. Der zweite Wagen, ein BMW, parkt in der Auffahrt. Ich halte vor dem billigeren der beiden Fahrzeuge. Ich habe es schon mal gesehen. Neben mir auf dem Beifahrersitz liegt Emma Greens Akte. Ich schlage sie auf; sie enthält ein Foto von ihr neben ihrem Auto, das vor vier Monaten aufgenommen wurde. Ich werfe einen Blick auf das Nummernschild in der Akte und dann auf das von dem Wagen vor mir. Sie sind identisch. Seit Donnerstagabend wird nach ihm gefahndet, aber in der Stadt gibt es mehr Autos als Cops, und ein Fahndungsaufruf ist bedeutungslos, solange er nicht den Orbit eines Streifenwagens erreicht. Es ist das Fahrzeug, das sie von der Versicherung bekommen hat, nachdem ich ihres zu Schrott gefahren habe. Auf dem Foto hat sie ein breites Grinsen im Gesicht. Sie hat keine Ahnung, dass sie sich in Kür ze urplötzlich zwischen zwei Tragödien wiederfinden wird, einer, die sie fast das Leben gekostet hätte, und einer, die sie vielleicht nicht überleben wird. Ich schließe die Akte und trete in die Sonne; ihr Lächeln begleitet mich und treibt mich an, weckt in mir das dringliche Bedürfnis, den Mann zu finden, der ihr dieses Lächeln genommen hat.
Langsam trotte ich zum Haus hoch, die Gläser meiner Sonnenbrille sind kurz davor, aus der Fassung zu tropfen. Inzwischen hat Schroder bestimmt telefoniert, und jemand ist unterwegs, um mit Cooper Riley zu reden. Das heißt, dass in Kürze ein Polizeiauto hier vorfahren wird und mit ihm ein Detective. Doch irgendetwas stimmt hier nicht. Die Haustür steht einen Spaltbreit offen. Die Schlüssel stecken im Schloss. Die Fahrertür des BMWs ist zwar zu, aber nicht ganz eingerastet. Die Innenbeleuchtung ist aus, also ist entweder die Birne kaputt oder sie wurde ausgeschaltet, oder die Tür stand die ganze Nacht offen und die Batterie ist alle. Der dunkelblaue BMW ist um die zehn Jahre alt, es kann also nicht der Wagen sein, der am Müllcontainer hinter dem Café vorbeigeschrammt ist.
Ich hole tief Luft, dann lasse ich den Kofferraum aufspringen. Er ist leer. Und ich atme langsam wieder aus. Nichts deutet darauf hin, dass Emma Green mal zusammengekauert in seinem Innern lag. Sollte Cooper sie entführt haben, hat er sie vielleicht in irgendwas eingewickelt. Als ich den Wagen umrunde, bemerke ich am Boden neben einem der Reifen einen Plastikgegenstand. Ich bücke mich. Es ist eine Kamera. Über die Rückseite des Displays verläuft ein Riss, und der Deckel des Batteriefachs ist aufgesprungen. Ich öffne den Schlitz für die Speicherkarte und nehme sie heraus. Dann stelle ich die Kamera zurück auf den Boden und werfe einen Blick unter den Wagen. Dort liegen verschiedene Unterlagen, ein Unterrichtsplan, ein in Klarsichtfolie eingewickelter Sandwich und ein runzliger, matschiger Apfel. Neben dem Reifen liegen winzige, runde Papierschnipsel mit einer Seriennummer. Unter dem Wagen sind noch mehr, und als ich mich wieder aufrichte, bemerke ich auch welche am Rand der Rasenfläche. Sie stammen von einem Elektroschocker. Ich lasse die Speicherkarte in meine Tasche gleiten, gehe zum Kofferraum und schnappe mir das Montiereisen.
Ich ziehe die Schlüssel aus der Haustür, stecke sie in die Tasche und trete die Tür ganz auf. Der Gestank von Benzin weht mir entgegen. Mit tränenden Augen gehe ich weiter. Direkt neben der Tür stehen zwei leere Benzinkanister. Ich reibe mir die Augen und halte die Luft an. Der geflieste Dielenboden ist nass und rutschig. Zur Linken befinden sich zwei Glastüren, durch die man in ein Wohnzimmer mit einem Teppich kommt, der voller großer dunkler Flecken ist – sicher von dem Benzin, das hier ausgeschüttet wurde. Weiter hinten gibt es noch mehr Glastüren, ein zweites Wohnzimmer sowie ein Esszimmer und eine Küche. Zur Rechten windet sich eine Treppe mit schmiedeeisernen Stäben und weißem Holzgeländer zum Absatz im ersten Stock hinauf; auf halber Höhe macht sie einen Neunzig-Grad-Knick.
Ich trete zurück ins Freie. Und atme frische Luft ein. Irgend jemand wurde von einem Elektroschocker
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