Die Totensammler
Luft ist von Staub erfüllt, und von Nordwesten weht ein stärker werdender heißer Wind herüber, der seinen Juckreiz verschlimmert. Er gießt sich ein Glas Wasser ein und schmiert ein paar Sandwiches. Im Haus gibt es keinen Strom, und das Beste, was er tun kann, um die Fleischscheiben frisch zu halten, ist, sie in einer Kühltasche aufzubewahren. Solange er alle paar Tage für neuen Nachschub sorgt, bleiben sie einigermaßen genießbar. Er will daran denken, später auf dem Weg zu Tates Haus welche zu kaufen.
Je länger er über Tate nachgrübelt, desto lebhafter malt er sich aus, wie es wohl wäre, wenn er Teil seiner Sammlung wäre. Cop und Mörder in einem. Es ist jedenfalls eine Überlegung wert.
Als er die Tür öffnet, kommt das Mädchen im Schlafzimmer zu sich. Der ängstliche Blick der ersten zwei Tage ist einem Ausdruck überbordenden Abscheus gewichen. Er nimmt an, dass sich ein Teil von ihr wünscht, er hätte sie längst getötet, aber natürlich wird er das nicht tun. Er lässt seinen Blick von ihren Augen zu ihren Körperrundungen wandern. Manchmal möchte er diese Rundungen berühren, um sie unter den Fingerspitzen zu spüren. Früher lag er öfter nachts wach – Gott sei Dank hat seine Mutter das nie herausgefunden – und stellte sich vor, wie die Rundungen von Katie, dem Mädchen aus der Schule, wohl aussähen. Ja, sie erinnert ihn an Katie – das gleiche Haar, die gleichen Augen. Und er fragt sich, ob das Mädchen noch weiß, wie er sich ihr vor einigen Monaten zum ersten Mal genähert hat. Er weiß, dass er nach Benzin stinkt, aber sie riecht noch viel schlimmer. Ihm wird klar, wie dumm es war, sich mit diesem Geruch unter die Schaulustigen zu mischen, er hat Glück gehabt, dass ihn niemand bemerkt hat.
»Das ist zum Anziehen«, sagt er und legt die Kleidungsstücke aufs Bettende. Ihre eigenen Sachen waren für das, was er vorhat, nicht geeignet, darum hat er sie ihr vom Körper geschnitten und in die Mülltonne geworfen. »Ich werde dich ein wenig sauber machen«, sagt er und legt ein feuchtes Handtuch auf eines ihrer Beine.
Sie zuckt zurück, kann aber nicht antworten. Sie gibt dasselbe Gemurmel von sich wie vorhin, das ihre Lippen um den Strohhalm herum nicht zu Wörtern formen können.
»Kannst du dich an mich erinnern?«, fragt er.
Sie schüttelt den Kopf. Der Abscheu in ihrem Blick ist jetzt Furcht gewichen.
»Ich habe versucht, mit dir zu reden«, sagt er. »Es war der letzte Montagabend vor Weihnachten. Du hast gearbeitet, und ich hab zu dir gesagt, dass du wie ein Mädchen aussiehst, das ich mal kannte. Es hat mich einige Überwindung gekostet, dich anzusprechen«, sagt er. »Es fällt mir schwer, mit anderen Menschen zu reden. Obwohl es gegen meine Natur war, habe ich den Mut aufgebracht, dich anzusprechen, aber du hast mich zurückgewiesen. Das hättest du nicht tun sollen«, sagt er. »Du hättest nicht so gemein zu mir sein sollen.«
Die ganze Härte weicht aus ihren Augen, und sie fängt an zu weinen.
»Alles wird gut«, sagt er. »Jetzt bloß keine Tricks«, fügt er hinzu und hält ein Messer in die Höhe. »Du bist seit fast drei Tagen hier, und deine Kraft reicht nicht aus, um es mit mir aufzunehmen. Glaub mir, ich war mal in derselben Situation wie du«, sagt er, auch wenn das nicht ganz die Wahrheit ist, aber wenigstens fast. Er beugt sich vor und schneidet das Seil durch. Sie rührt sich nicht. Seit sie hier ist, hat sie abgenommen, sie sieht nicht gut aus. Ihr Gesicht ist … hohler, würde er sagen, ihm fällt kein besserer Ausdruck ein. Außerdem ist es blass und verschwitzt.
»Ich werde dir nicht wehtun, versprochen«, sagt er, und das stimmt. Er wird ihr nicht wehtun. Trotzdem hätte sie ihm kein schlechtes Gewissen machen sollen. »Du kannst einfach nicht herumlaufen und die Leute schlecht behandeln«, sagt er zu ihr, während er sie mit dem Handtuch abreibt; ihre Haut ist feucht, und sie fröstelt. »Deinetwegen habe ich mich mies gefühlt.«
Plötzlich versucht sie, ihm einen Schlag zu verpassen, doch er weicht zurück, und sie verfehlt ihn nur knapp, einer ihrer Fingernägel kratzt über sein Gesicht. Sofort packt er sie an den Handgelenken und zerrt sie vom Bett. Sie rudert mit den Armen in seine Richtung, ohne ihn jedoch zu erwischen. Im nächsten Moment geht sie zu Boden, schlägt voll mit dem Kopf auf und verdreht die Augen, dann wird ihr Körper schlaff.
Er ist von ihr enttäuscht. Er zieht sie von dem Durcheinander fort, das sie angerichtet hat,
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