Die Totensammler
oder Cooper wird versuchen, ihm was anzutun. Aber es muss noch eine andere Möglich keit geben. Das muss es. Seine Mutter wüsste jetzt, was zu tun ist. So langsam hat er das Gefühl, er hat sie zu früh getötet. Er kann ihre Stimme hören. »Glück ist nur das halbe Wunder.« Er braucht jetzt kein Wunder, er muss nur seinen Grips anstrengen.
»Ich muss erst nachdenken«, sagt Adrian. »Dann treffe ich eine Entscheidung«, fügt er hinzu, und plötzlich hat er eine Idee. Es gibt tatsächlich noch eine andere Möglichkeit. Und sie ist perfekt. Cooper wird sein Geschenk bekommen, und dann wird Adrian wissen, ob Cooper das, was er sagt, auch meint oder ob er schon wieder gelogen hat.
»Ich bin in einer halben Stunde wieder da«, sagt er. Die Lampe lässt er auf dem Couchtisch stehen, dann geht er nach oben und schließt die Tür hinter sich.
Kapitel 21
Die Sonne scheint mit jedem Grad, das sie weiter Richtung Westen wandert, auch ein Grad heißer zu werden. Der Schatten, den der Zaun wirft, wird immer schmaler. Die Sonne kommt hinter dem Baum hervor, und Daxters Grab wird von Lichtstrahlen überflutet. Meine Bandagen und meine Füße sind voller Erde. Ich bin wütend und frustriert, weil ich nicht mehr für ihn tun konnte. Gleichzeitig komme ich mir blöd vor, weil ich wegen Daxter so traurig bin, obwohl das, was Donovan Green und seine Frau wegen ihrer Tochter gerade durchmachen, viel schlimmer ist. Ich starre auf das Grab, und mir gehen eine Menge Dinge durch den Kopf, jede Menge dummes, krankes Zeug, aber nichts Erbauliches. Von der Graberei ist mein Knie noch weiter angeschwollen. Wenn der Sanitäter jetzt hier wäre, würde er mit mir schimpfen.
Schließlich erhebe ich mich vom Gartentisch und humple wieder ins Haus. Ich werfe ein paar Entzündungshemmer und noch mehr Schmerztabletten ein, dann suche ich im Badezimmer nach Verbandszeug. Anschließend wähle ich Schroders Nummer, aber er hebt nicht ab. Eine Minute später ruft Donavan Green an, und diesmal bin ich derjenige, der nicht drangeht. Das ist der Kreislauf des Lebens. Was soll ich ihm sagen? Dass ich womöglich gerade gesehen habe, wie seine Tochter verbrannt ist? Dass ich in den ersten Stock des Hauses gegangen bin, bevor ich das Erdgeschoss inspiziert habe, obwohl es keinen Grund dafür gab? Dass ich beim nächsten Mal erst das Erdgeschoss betreten werde?
Ich hinke hinaus zum Wagen. Irgendwie gelingt es mir, mein linkes Bein auszustrecken, während ich mit dem rechten zwischen Gaspedal und Bremse hin und her springe. Von gestern habe ich einen leichten Sonnenbrand, und als ich unwillkürlich meine juckende Nase kratze, habe ich das Gefühl, ich würde meinen Nagel zwei Zentimeter tief in sie hineinbohren. In Innenstadtnähe kommt der Verkehr zum Erliegen, weil ein Wohnmobil falsch in eine Einbahnstraße gefahren ist. Es ist zwar mit keinem anderen Wagen zusammengestoßen, doch keiner der Fahrer in den entgegenkommenden Autos wollte Platz machen, damit es wenden kann. Von überallher ertönt ein Chor aus Flüchen und Ratschlägen, während der Verkehr sich weiter staut. Ich schalte das Radio ein, einige der Moderatoren diskutieren über die Todesstrafe. Sie reden über Emma Green; ihrer Meinung nach ist Emmas Verschwinden der Beweis dafür, dass Neuseeland die Todesstrafe wieder einführen sollte. Sie sprechen nur aus, was der Rest von uns denkt – dass Emmas Entführer auch schon anderen Mädchen etwas ange tan hat, und dass härtere Strafen zukünftige Verbrechen verhin dern würden. Das sagt einem der gesunde Menschenverstand. Wenn man die richtig bösen Menschen tötet, können sie den anständigen Menschen nichts antun, und wer hat dagegen schon was einzuwenden? Nur richtig böse Menschen. Die Moderatoren finden, man sollte mit dem Schlächter von Christchurch anfangen. Sie malen sich aus, wie sie ihn hinrichten würden, sie beginnen mit den üblichen Methoden wie Hängen oder der Giftspritze, bevor sie zu fantasievolleren Methoden kommen – oder verkommen. Ich mache mir ernsthafte Gedanken wegen der zwei Männer, die da ihre Kommentare abgeben. Dann schalten sie die Telefonleitungen für das Publikum frei, für Steve aus Sumner, der findet, man sollte diese Typen abfackeln, für James aus Redwood, der findet, wir sollten es so wie früher machen und diese Scheißkerle in einem gefüllten Fußballstadion steinigen, und für Brock aus Shirley, der meint, es gibt nichts Besseres, als diese Typen schön langsam zu zerteilen, während sie
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