Die Totensammler
kopfüber herabbaumeln, damit das Blut im Gehirn bleibt und sie nicht sofort das Bewusstsein verlieren. Ich schalte das Radio aus und bete zu Gott, dass ich Steve, James und Brock nie gegen mich aufbringe.
Sobald ich das eingekeilte Wohnmobil passiert habe, fließt der Verkehr wieder. Ich ignoriere zwei weitere Anrufe von Donovan Green. Vor der Uni stelle ich mich auf einen Behindertenparkplatz. Ein Student wird in einem Einkaufswagen von einem anderen Studenten den Gehweg entlanggeschoben, beide lachen.
Ich humple zur Psychologischen Fakultät und wünschte, ich hätte Krücken. Ich habe Mühe, die Treppe hinaufzusteigen und muss mich am Geländer hochziehen. Ein paar Leute, die an mir vorbeikommen, starren mich an, während sie so tun, als würden sie mich gar nicht bemerken. Einige von ihnen wollen mir offensichtlich ihre Hilfe anbieten, doch die meisten von ihnen gehen nicht davon aus, dass ich Unterstützung brauche. Es ist wie bei einem Rollstuhlfahrer, dem man die Tür aufhält, und man weiß nicht ob er Danke sagt oder Leck mich . Schließlich erreiche ich die erste Etage, wo sich alle Büros nebeneinander befinden. An der Wand hängt eine Montage aus Fotos von Fakultätsmitarbeitern, jene Art von Montage, mit der sonst an tote Mitarbeiter erinnert wird, kleine, handtellergroße Porträts, die gitterförmig angeordnet sind. Ich suche sie nach dem Mann ab, der das Feuer gelegt hat, und komme zu dem Ergebnis, dass die Hälfte von ihnen dafür infrage käme. Darunter ist auch Cooper Riley; auf dem Foto ist sein Haar noch voller und nicht ganz so grau. Ich stolpere den Flur hinunter. Alles hier wirkt so alt, fast älter als die Fachrichtung Psychologie. Sämtliche Bürotüren sind blau und mit einem Namensschild versehen. In diesem Punkt unterscheidet sich Coopers Büro nicht von den anderen, allerdings ist es mit über Kreuz gespanntem Absperrband abgeriegelt. An der Wand zwischen den zwei Büros mit den Schildern Persönlich keitsstudien hängt ein großes Poster mit Flussdiagrammen und langen komplizierten Wörtern, von denen ich Kopfschmerzen kriege. Es ist niemand in der Nähe. Ich drücke auf die Klinke. Die Tür ist verschlossen. Ich krame die Schlüssel hervor, die ich an der Eingangstür von Coopers Haus gefunden habe. Einer davon passt. Ich reiße das Absperrband ab und werfe es auf den Boden. Man wird garantiert die Studenten dafür verantwortlich machen.
Die Luft im Büro ist stickig und abgestanden. Der Schreibtisch besteht aus Kiefernholz, seine Oberfläche ist mit Kerben und Kratzern überzogen, und die Gegenstände liegen kreuz und quer darauf herum. Die Schubladen stehen offen, der Aktenschrank ist ebenfalls geöffnet, der Computer ist eingeschaltet, und eine Menge glatte Oberflächen sind mit Fingerabdruckpulver bestäubt. Die Polizei war hier, um nach einem Hinweis darauf zu suchen, was mit Cooper Riley passiert sein könnte. Ich kann mir vorstellen, dass er zu den Leuten gehört, die auf Ordnung achten, und wenn er in diesem Moment das Büro betreten würde, wäre er ziemlich verärgert. Da klingelt mein Handy, es ist Schroder.
»Wo steckst du?«, fragt er. »Der Polizeizeichner steht vor deinem Haus.«
»Scheiße. Hab ich völlig vergessen. Sag ihm, dass ich unterwegs bin.«
»Hör zu, es gibt keine Akte über ein Verbrechen, das Riley Cooper gemeldet hätte«, sagt er. »Warum wolltest du das wissen?«
»Bist du jetzt mit dem Fall betraut?«
»Zwei Feuer in zwei Tagen. Da könnte es einen Zusammenhang geben; ja, ich gehe der Sache nach. Im Laufe des Tages weiß die Feuerwehr hoffentlich Genaueres.«
Ich erzähle ihm, was der Nachbar gesagt hat.
»Und du glaubst, unsere Melissa X hat Riley das angetan?«
»Ich denk schon.«
»Und warum hat er es dann nicht gemeldet?«
»Das ist eine gute Frage. Warum meldet ein Opfer nicht, dass es zum Opfer wurde?«
»So was passiert tagtäglich, Tate«, sagt er. »Das weißt du selbst. Lediglich eine von sieben Vergewaltigungen wird gemeldet. Vielleicht steckt dasselbe Verhaltensmuster hinter dem, was Riley passiert ist, vorausgesetzt, der Nachbar hat die Wahrheit gesagt.«
»Kannst du an seine Krankenakte kommen?«
»Ich versuche eine Genehmigung zu kriegen.«
»Was hat die Durchsuchung von Rileys Büro ergeben?«
»Absolut nichts. Wir hoffen, dass die Kriminaltechniker was in Coopers Wagen oder in seinem Haus finden, sobald die Überreste begehbar sind, doch die Chancen stehen schlecht.«
»Vielleicht fahre ich zu seinem Büro raus«,
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