Die Totensammler
sage ich und lehne mich gegen die Schreibtischkante. »Möglicherweise entdecke ich was, was ihr übersehen habt.«
»Willst du mich beleidigen?«, fragt er.
»Nein. Wie du gesagt hast, ich habe ein Auge für so was. Ist das okay für dich?«
»Kommt drauf an, Tate. Bist du schon da?«
»Und wenn?«
»Dann hättest du dir Zutritt zu einem Tatort verschafft, und das könnte großen Schaden anrichten, egal, für welchen Fall wir Beweismaterial sammeln.«
»Genau genommen ist es gar kein Tatort«, sage ich. »Komm schon, Carl, was macht es schon, wenn ich mich mal umsehe.«
»Ich treffe dich dort in zwanzig Minuten«, sagt er. »Das Letzte, was ich möchte, ist, dass du alles durcheinanderbringst.«
Er legt auf. Und ich fange an, die Akten auf Coopers Tisch durchzublättern, so wie das vorher schon einmal jemand getan hat. Die Beamten haben alle Studenten- und Mitarbeiterakten durchgesehen, denn bisher ist das die einzige Verbindung zwischen Cooper Riley und Emma Green. Vielleicht wollte sich ein ehemaliger Psychologiestudent, der wegen eines nicht bestandenen Abschlusses wütend war, an ihm rächen. Und vielleicht hat er Emma Green aus irgendeinem Grund ebenfalls die Schuld dafür gegeben.
Ich überprüfe den Aktenschrank. Die Ordner wurden alle in eine Ecke gestopft, offensichtlich hat man sie durchgeblättert; sie enthalten die Studentenunterlagen aus diesem und letztem Jahr. Ich frage mich, ob Melissa der Grund dafür ist, dass Cooper Riley für seine Nachbarn zu Professor Mono wurde. Wenn ja, könnte es sich bei ihr um eine Studentin von hier handeln. Er muss irgendwas mit ihr zu tun gehabt haben.
Ich trete hinaus in den Flur und gehe zum nächsten Büro. Ein Schild an der Tür verrät mir, dass es Professor Collins gehört. Die Tür steht einen Spaltbreit offen, und ich klopfe, bevor ich sie ganz aufstoße. Hinter einem Schreibtisch sitzt ein Mann, er schaut zu mir auf. Er hat drahtiges graues Haar, seine Augen sind zu groß für sein Gesicht, und seine Ohren stehen fast im Neunzig-Grad-Winkel ab. Das Büro hat denselben Grundriss und denselben Ausblick wie Coopers, es ist allerdings nicht halb so chaotisch.
»Kann ich Ihnen weiterhelfen?«, fragt er.
»Professor Collins?«
»Steht an der Tür«, sagt er lächelnd und lehnt sich in seinem Stuhl zurück. »Sie sind kein Student. Also sind Sie entweder ein Reporter oder ein Cop. Ich würde auf Cop tippen. Hab ich recht? Sind Sie hier, um Fragen zu Cooper Riley zu stellen? Ich habe gehört, sein Haus ist heute Nachmittag abgebrannt, und vor einer Stunde habt ihr sein Büro durchsucht.«
»Respekt, Sir«, sage ich und trete ein.
»Bitte, nehmen Sie Platz«, sagt er, und ich setze mich ihm gegenüber und strecke mein Bein vor mir aus. »Haben Sie schon was von Cooper gehört?«
»Noch nicht. Seit wann arbeiten Sie hier?«
»Seit fast fünfzehn Jahren«, sagt er.
»Kennen Sie Cooper gut?«
»Was meinen Sie, was ihm zugestoßen ist? Glauben Sie, dass er wohlbehalten wieder auftaucht?«
»Wir gehen der Sache nach«, sage ich. »Bitte, alles, was Sie mir erzählen können, ist vielleicht von Nutzen.«
»Ja, ich kannte ihn gut. Unsere Büros liegen direkt nebeneinander. Wir haben hier zusammen angefangen. Wir waren auf der Hochzeit des jeweils anderen, und manchmal gehen wir zusammen was essen.«
»Seit wann ist er geschieden?«, frage ich, obwohl mir klar ist, dass Schroder das schon weiß.
»Hmm, lassen Sie mich überlegen. Seit etwa drei Jahren. Seine Frau hat ein neues Leben angefangen, wissen Sie. Hat einen anderen kennengelernt. Angeblich im Internet. So läuft das heutzutage. Es ist ein interessantes psychologisches Phä nomen, wie Menschen im Internet Kontakte knüpfen, um in der realen Welt eine Beziehung einzugehen. Ich spiele mit dem Gedanken, eine wissenschaftliche Arbeit darüber zu schreiben.«
»Wohnt sie immer noch in Christchurch?«
Er schüttelt den Kopf. »In Australien. Das ist zumindest das Letzte, was ich gehört habe, doch Cooper spricht nicht über sie. Von einem Tag auf den anderen verschwand sie aus seinem Leben. Es ist wirklich traurig. Sie sind beide anständige Menschen, aber es hat einfach nicht geklappt. So was kommt vor«, sagt er. »Die Sache hat Cooper ziemlich getroffen.«
»Können Sie mir erzählen, wann er seinen Unfall hatte?«
Er scheint verwirrt. »Einen Unfall? Einen Autounfall?«
»Nicht ganz.«
»Sondern?«
»Können Sie sich erinnern, ob er für einen gewissen Zeitraum nicht zur Arbeit erschienen
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