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Die Totensammler

Die Totensammler

Titel: Die Totensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PAUL CLEAVE
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verantwortlich war. Ihr Bild war in den Zeitungen und in sämtlichen Nachrichten zu sehen, ein Bild, das man aus dem Video kopiert hatte, das ich gestern gesehen habe. Es ist nicht dasselbe Bild wie das hier. Ein ähnliches, aber nicht dasselbe, andere Frisur, andere Haarfarbe, ein etwas schmaleres Gesicht – aber die Augen … Die Augen sind dieselben, da bin ich mir sicher.
    Cooper Riley dürfte das auch nicht entgangen sein. Er hat bestimmt die Nachrichten gesehen und erkannt, wer sie wirklich ist, doch er hat nie die Polizei verständigt.
    Bloß warum? Hat er immer noch Angst vor ihr?
    Oder verheimlicht er irgendetwas?

    Kapitel 22
    Heute geht es Coopers Kopf schon sehr viel besser, obwohl er immer noch ein wenig pocht, und er ist versucht, die Pillen, die er gestern in der Tasche gefunden hat, einzuwerfen. Die Wunde an seiner Brust fängt an zu jucken, und als er sich kratzt, hat er Blut und etwas Gelbliches an den Fingern. Wenn er nicht bald was zu beißen kriegt, dreht er noch durch.
    Er kennt das Mädchen. Schulterlanges rotes Haar, verfilzt und fransig. Ihre Haut ist blass und gerötet. Sie ist höchstens zwanzig. Eine Studentin? Von früher. Oder sogar aus diesem Jahr – es sind immer so viele. Vielleicht kennt er sie auch aus dem Supermarkt, eine Kassiererin, ein Mädchen, mit dem er kurz geplaudert hat, während sie seine Lebensmittel eingescannt hat. Oder eine Frisörin aus der Mall, eine Zeugin Jehovas, die eines Morgens bei ihm vor der Tür stand, oder die Sprechstundenhilfe seines Hausarztes. Er hat sie schon mal gesehen, aber er weiß nicht, wo. Das Kleid, das sie trägt, ist ihr zu groß und hat ein Muster aus Blumen, die im Schein der Lampe hellblau leuchten. So etwas würde seine Mutter im Sommer tragen.
    Mein Gott, seine Mutter … sie ist bestimmt völlig durch den Wind. Im Juli wird seine Mutter achtzig, und die Familie plant bereits eine große Feier für sie. Seine Schwester wird aus Großbritannien herfliegen – aber wahrscheinlich sitzt sie wegen der aktuellen Ereignisse bereits im Flieger, vorausgesetzt die Leute wissen überhaupt, dass er verschwunden ist. Das müssten sie, sofern Adrian die Wahrheit gesagt hat, als er meinte, er hätte sein Haus niedergebrannt. Er hofft, dass seine Mutter einigermaßen zurechtkommt. Sie ist eine starke Frau. Das war sie immer, seit sein Vater sie beide im Stich gelassen hat, als Cooper zwölf Jahre alt war. Seitdem hat er ihn nicht mehr gesehen. Er weiß nicht mal, ob er noch lebt und ob sie ihm einfach egal sind. Aber seine Mutter … ihr verdankt er alles. Mit einer schwächeren Mutter wäre sein Leben anders verlaufen. Im Alter von vierzehn Jahren hat er ein Auto gestohlen und es zusammen mit seinem Freund betrunken zu Schrott gefahren. Sie wurden dabei nicht verletzt. Seine Mutter hat ihn auf dem Polizeirevier abgeholt, und auf dem Nachhauseweg sprach sie kein einziges Wort, bis zum nächsten Morgen, als sie ihm das Frühstück zubereitete.
    Er hat sich bei ihr entschuldigt, doch sie meinte, nicht bei ihr müsse er sich entschuldigen, sondern bei seinem zukünftigen Ich, denn dem würde er damit Schaden zufügen. Aber das war ihm egal. Damals war ihm fast alles egal, außer dass sein Vater sie verlassen hatte und dem Geschmack von gutem Bier auf der Zunge, wenn er sich nachts heimlich mit seinem Kumpel traf. Seine Mutter zwang ihn, einen Brief an den Cooper in der Zukunft zu schreiben, in dem er erklärte, wie leid ihm alles tue und wie dumm er gewesen sei. Und wie sehr er seiner Mutter wehgetan habe. Dann ging sie auf ihr Zimmer und weinte. Als sie wieder herauskam, setzte sie sich mit ihm hin und erklärte ihm beim Frühstück, dass ihr der Mann, dem sie in zehn Jahren diesen Brief geben werde, leidtue. Aber sie hat ihm den Brief nie gegeben. Denn vorher traten in seinem Leben einige Veränderungen ein. Jeden Tag besprach seine Mutter mit ihm, ob sein zukünftiges Ich mit seinem Verhalten einverstanden oder ob es enttäuscht wäre. Ab da fing er an, dieses zukünftige Ich ernst zu nehmen. Er wollte als Erwachsener nicht wie sein Dad werden. Er strengte sich in der Schule mehr an. Und seine Noten wurden besser.
    Als er zwanzig Jahre alt war, hatte er eine Affäre mit der Frau von nebenan. Sie war fünfzehn Jahre älter als er. Er dachte, er würde sie lieben. Eines Tages kam ihr Ehemann mit einer Schrotflinte nach Hause und verpasste ihr eine tödliche Ladung, bevor er die Waffe gegen sich selbst richtete. Das hatte niemand vorhergesehen. Cooper

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