Die Totensammler
Irgendjemand muss was gesehen haben. Außerdem gibt es hier bestimmt haufenweise Indizien, um das Grab herum sind jedenfalls Fußspuren.«
»Das hätte jeder tun können, Tate. Dazu muss man nicht verrückt sein. Jemand könnte eine Mordswut auf dich haben.«
»Nein, ich glaube, dafür muss man verrückt sein, Carl. Wenn es auch jemand sein könnte, der nur wütend auf mich ist, dann wärst du die Nummer eins auf meiner Liste der Verdächtigen.«
»Seh ich genauso«, sagt er, »aber es kann genauso gut ein Ex-Knacki sein, der sauer ist.« Das stimmt. Ich habe im Laufe der Jahre viele Leute verhaftet. Schroder fährt fort. »Ich weiß, du hältst das für einen unglaublichen Zufall«, sagt er, »aber es bringt nichts, so was zu tun, während du im Knast hockst.«
»Aber warum ist davor nichts passiert?«
»Keine Ahnung. Vielleicht saß derjenige ebenfalls im Gefängnis.«
»Hast du die Phantomzeichnung einem der ehemaligen Mitarbeiter von Grover Hills gezeigt? Vielleicht erkennt einer von ihnen den Mann?«
»Die Sache läuft, Tate. Ich schicke ein paar Leute vorbei, damit sie sich bei dir mal umsehen und deine Katze abholen.«
Er legt auf. Ich schnappe mir die Blätter und gehe ins Haus. Dann fällt mein Blick auf die gleichmäßigen Rechtecke aus Erde, die zu meinem Arbeitszimmer führen, Erde, die von Schuhprofilen stammt. Ich lasse die Blätter los, stürze mit eingezogenem Kopf ins Schlafzimmer und ziehe Donovans Pistole unter der Matratze hervor. Und stürme damit ins Arbeitszimmer. Der Computer ist immer noch eingeschaltet. Aber es ist niemand im Zimmer. Der größte Teil des Manuskripts fehlt, nur die letzten paar Seiten stecken im Drucker. Sämtliche Akten zu Melissa X, die Schroder mir gegeben hat, sind fort. Entweder diente Daxter zur Ablenkung oder als Botschaft – so oder so, irgendjemand will nicht, dass ich herausfinde, was mit Cooper Riley passiert ist.
Kapitel 31
Schadenskontrolle.
Der Zeitungsartikel ist wirklich schlimm, aber er könnte noch schlimmer sein. Zum Beispiel hätte dort in hübschen fetten Lettern die riesige Schlagzeile Haus von Serienmörder niedergebrannt stehen können. Vor zehn Jahren gab es noch gewisse Regeln; wenn damals etwas keine bestätigte Tatsache war, haben die Zeitungen sich geweigert, es zu drucken. Heute ist das anders. Die meisten Medien haben Internetseiten, die Nachrichtenkanäle senden rund um die Uhr, das Geschäft ist mörderischer denn je, und die Journalisten haben keine Zeit, die Fakten zu überprüfen. Bei den Nachrichten geht es nicht mehr darum, die Leute über das, was tatsächlich passiert ist, zu informieren, sondern darum, seine eigenen Ziele zu verfolgen und Kohle zu scheffeln. Und Geld ist wichtiger als die Frage, was richtig oder falsch ist. Gerüchte sind die neuen Tatsachen. Ein Typ, der vor dem Polizeipräsidium Hotdogs verkauft, gilt inzwischen als gesicherte Insiderquelle. Die Grenzen der Moral haben sich verschoben, bis sie völlig ausgehöhlt waren. Hätte es also auch nur den leisesten Verdacht gegeben, dass Cooper ein Mörder ist, hätte man es gedruckt.
In dem Artikel geht es um sein Verschwinden. Cooper Riley, zweiundfünfzigjähriger Professor an der Canterbury University, entführt aus seinem eigenen Haus, sein Wagen stand in der Auffahrt, ohne Hinweis darauf, wo man ihn hingebracht hat, tags darauf wurde sein Haus niedergebrannt. Es ist ein Foto von dem Feuer abgedruckt – und eines von Cooper, wie er vor Studenten auf eine Leinwand deutet. Das Foto wurde vor einigen Jahren aufgenommen, es handelt sich um ein Publicity-foto für ein Werbemagazin der Uni. Damals war sein Haar an den Seiten noch etwas voller, etwas dunkler, und er hatte noch welches oben auf dem Kopf. Damals wusste er noch nichts vom Stress einer Scheidung. Fünf Jahre später ist er zehn Kilo schwerer und in einem verdammten Keller eingesperrt.
Was weiß die Polizei?
Hätte sie einen Verdacht, hätte sie es an die Presse durchsickern lassen. Und das Feuer hat nichts überlebt. Das Foto wurde von der Straße aus aufgenommen, er kann erkennen, dass sein Wagen von Flammen verschlungen wird, ja, sogar die Hälf te des Vorgartens steht in Brand. Wenn die Kamera irgendwo auf dem Grundstück war, ist sie geschmolzen, die Speicherkarte nutzlos. Was das betrifft, ist also alles im grünen Bereich. Und die beiden Opfer hat er im Kofferraum seines Wagens transportiert, auf einer Plane. Er weiß, dass im Wagen keine Spuren waren, und selbst wenn, dann hat das Feuer sie
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