Die Totensammler
beseitigt.
Sein Haus.
Er hat sein Haus geliebt.
Er hat seine Sammlung geliebt.
Sollte er es je hier raus schaffen, wird er unter keinen Umständen noch mal irgendetwas sammeln. Denn dann hätte er etwas mit Adrian gemeinsam – und ihm wird ja schon bei dem Gedanken schlecht, dass sie beide atmen. Allerdings wird er dafür sorgen, dass das nicht mehr lange der Fall ist.
Er hockt auf der Bettkante und legt die Zeitung auf seinen Schoß. Immer wieder fährt er mit den Fingerkuppen über das Foto seines Hauses, und es bleibt Druckerschwärze daran zurück. Er denkt an das erste Mädchen, das er getötet hat. Das war letztes Jahr. Er streicht etwas fester über die Zeitung. Sie hieß Jane Tyrone, war vierundzwanzig Jahre alt – gerade mal halb so alt wie er –, und damals dachte er, nichts fühlt sich besser an als ein vierundzwanzig Jahre altes Mädchen. Fünf Monate später stellte er fest, dass er sich geirrt hatte – nichts fühlte sich besser an als eine Siebenundzwanzigjährige.
Allerdings war Jane nicht wirklich die Erste. Eigentlich fing es vor drei Jahren mit einer anderen Studentin an. Natalie Flowers. Das war damals ihr Name. Er möchte nicht allzu viele Gedanken an sie verschwenden, allein die Tatsache, dass Adrian eine Akte über sie hat, ruft eine Menge unschöner Erinnerungen hervor. Er fragt sich, ob ihr richtiger Name in der Akte überhaupt erwähnt wird – wohl kaum. Die Polizei kann ihn nicht kennen. Sonst hätte sie ihn längst an die Medien weitergegeben. Er würde gerne einen Blick in die Akte werfen. Ja, er muss – sie könnte etwas enthalten, das sich auf ihn bezieht.
Natalie Flowers.
Sie trat in sein Leben und bewirkte eine Veränderung in ihm, und er ließ es geschehen. Seine Ehe ging gerade in die Brüche, und zwar schon seit einer Weile, aber er war so sehr auf seinen Job und sein Buch fixiert, dass er davon nichts mitbekam. Aber dann ließ ihn seine Frau sitzen. Sie teilte ihm mit, dass sie ihn verlassen würde. Er flehte sie an zu bleiben. Doch sie erklärte ihm, dass sie einen anderen kennengelernt habe. Nein, er wusste nicht, mit wem sie sich traf, und sie wollte Cooper auch nicht seinen Namen verraten, nur dass sie einen anderen liebe und glücklich mit ihm sei, und dass ihr die Hälfte von Coopers Haus und seinem übrigen Besitz gehöre. Am selben Tag kaufte er sich eine Flasche Whiskey und trank sie zur Hälfte leer, bevor er sich auch ihre Hälfte vornahm. Er trank sie nach der Arbeit in seinem Büro. Er wollte nicht heim. Nicht das leere Haus betreten. Er wollte sich einfach nur betrinken, umgeben von seinen Akten und seiner Arbeit; der Unterricht war vorbei, die Studenten gegangen.
Er hat sich oft gefragt, wie sein Leben jetzt wohl aussähe, wenn er damals eine andere Entscheidung getroffen hätte. Er war so betrunken, dass er dachte, er könnte noch fahren. Das passiert, wenn man betrunken ist – in nüchternem Zustand kann man unzählige richtige Entscheidungen treffen, und wenn man nüchtern ist, würde man nie betrunken Auto fahren, doch mit Alkohol ist alles anders. Er vermischt sich mit deinem Blut und sagt dir, dass alles gut wird. Also ging Cooper raus auf den riesigen Parkplatz. Dort standen nur sechs Wagen, einer davon seiner. Die Nacht war kalt, der Boden mit Blättern bedeckt, der Sommer war vorbei, und es war bereits dunkel, obwohl es erst halb acht war; die Tage wurden bis zur Wintersonnenwende immer kürzer.
Seine Schlüssel lagen auf dem Boden, bevor er überhaupt kapierte, was passiert war. Seine Hand war immer noch an seiner Autotür und versuchte, sie aufzuschließen. Er brauchte ein paar weitere Sekunden, um in die Hocke zu gehen und die Schlüssel aufzuheben. Natürlich hätte er ein Taxi rufen müssen. Hätte sich mehr ins Zeug legen müssen, um seine Frau umzustimmen. Hätte merken müssen, was los war. Gott, er kam sich so blöd vor, weil man ihn auf diese Weise betrogen hatte, ohne dass er es mitgekriegt hatte.
Das Mädchen tauchte wie aus dem Nichts auf. Manchmal, in seinen Albträumen, sieht er noch, wie sie nur wenige Meter von ihm entfernt aus der Hölle emporsteigt oder wie sie über dem Boden schwebt, dieser wunderschöne Dämon, der sein Leben verändern sollte.
»Alles in Ordnung, Professor?«, fragte sie. Nein, nichts war in Ordnung, seine Frau war eine untreue Schlampe und würde die Hälfte seines Lebens mitnehmen. Und wo zum Henker waren all die Jahre hin; seine Zwanziger und Dreißiger waren wie nichts an ihm vorübergezogen,
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