Die Totensammler
diese Nacht nicht ungeschehen machen. Also hockte er regelmäßig in seinem Wohnzimmer und starrte die Wand an, während die Whiskeyflasche vor ihm langsam verschwand. Er malte sich aus, was er ihr antun würde, wenn er sie fand. Am nächsten Tag auf der Arbeit ließ er sich nicht anmerken, dass er einen Kater hatte, und niemand erfuhr, was ihm wirklich durch den Kopf ging.
Dann lernte er Jane Tyrone kennen.
In gewisser Weise erinnerte sie ihn an Natalie Flowers. Sie hatte das gleiche Haar, war jung und hübsch, hatte das gleiche Lächeln. Sie arbeitete in seiner Bank. Er war dort, um einen Scheck einzulösen. Und sie schenkte ihm ein freundliches Lächeln, das im Service inbegriffen war. Er wünschte, sie nackt zu sehen, wäre ebenfalls inbegriffen. Er wollte es so sehr, dass er ihr nach der Arbeit in ein Parkhaus folgte. Es war eine spontane Aktion, aber es ging ganz einfach. Solange niemand in der Nähe war, kam es nur auf das richtige Timing an. Und es war niemand in der Nähe. Er trat auf sie zu, während sie ihren Wagen aufschloss, und lächelte sie an. Sie erwiderte sein Lächeln, ohne ihn wiederzuerkennen. Dann griff er hinter sie und knallte ihren Kopf gegen das Autodach, einmal, zweimal, und dann ein drittes Mal – das bringt Glück. Sie verlor das Bewusstsein, und er verfrachtete sie in den Kofferraum ihres Wagens. Fünfzehn Minuten später kehrte er mit seinem eigenen Auto zurück. Er musste ein paar Plätze weiter unten parken und blätterte fünf Minuten in einer Zeitung, bis niemand mehr in der Nähe war, dann verfrachtete er sie in seinen Kofferraum.
Er hielt sie eine Woche am Leben. Das war nicht sein Plan ge wesen. Eigentlich gab es gar keinen Plan. Auch als er an jenem Morgen aufgewacht war, hatte er nicht vorgehabt, jemandem wehzutun, und dennoch fand er sich kurz darauf in dieser Anstalt wieder, wo er sie in eine gepolsterte Zelle gesperrt hatte. Eigentlich dachte er, er würde sie vergewaltigen und beseitigen, so wie er diese Schlampe vor drei Jahren hätte beseitigen sollen.
Doch diesmal war es anders. Er stellte fest, dass er sie mochte, und ein Teil von ihm, ja, ein Teil von ihm wollte ebenfalls von ihr gemocht werden. Manchmal, nachdem er sie vergewaltigt hatte, sagte er ihr, dass es ihm leidtäte und dass alles gut werden würde. Anfangs glaubte er das tatsächlich. Doch schließlich wusste er, dass es nicht stimmte.
Er hielt sie am Leben und vergewaltigte sie immer wieder, und mit jedem Mal bedeutete sie ihm weniger. Er wusste nicht, wie lange er sie dabehalten wollte, aber nach sieben Tagen machte sie schlapp und starb. Das war okay, denn nach sieben Tagen hatte sie nichts Attraktives mehr an sich, gab es nichts, was er nicht ein Dutzend Mal mit ihr getan hatte und gerne wiederholt hätte. Es war sowieso an der Zeit gewesen, sich anderen Dingen zuzuwenden. Für sie beide. Irgendwann musste es einfach passieren. Menschen leben sich auseinander.
Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dass Mörder gerne ein Andenken behalten, und das war bei ihm nicht anders. Er hatte eine Digitalkamera in seinem Aktenkoffer und machte jeden Tag Fotos von ihr. Es bereitete ihm Vergnügen. Er betrachtete die Bilder gerne. Eine Woche voller Spaß komprimiert auf einem Mikrochip, kleiner als ein Fingernagel. Was für eine Ironie, dass er tatsächlich mit dem Gedanken spielte, sie nach Grover Hills zu bringen. Er benötigte ein leer stehen des Gebäude, und die Anstalt entsprach genau seinen Anforde rungen. Allerdings gab es noch zwei ähnliche Einrichtungen, zwei weitere Nervenkliniken, die er aufgesucht hatte, um für sein Buch die Patienten zu befragen, beide waren wenige Monate nach dieser hier geschlossen worden. Schließlich entschied er sich für eine Einrichtung mit dem Namen Sunnyview Shelter als Versteck für die Mädchen.
Falls er lebend wieder hier rauskommt, inwieweit kann er dann in sein altes Leben zurückkehren? Die Kamera wurde zerstört, aber was ist mit den Fotos auf dem USB-Stick hinter dem Aktenschrank? Er hat noch einen weiteren in seinem Arbeitszimmer zu Hause versteckt, aber der ist bestimmt wie alles andere im Haus geschmolzen. Er hat schon damals gewusst, dass es eine schlechte Idee ist, die Fotos an seinem Arbeitsplatz aufzubewahren, doch er wollte sie, wann immer ihm danach war, anschauen können.
Der Tag, an dem er Emma Green entführt hat, war ein beschissener Tag. In der letzten Samstagsausgabe der Zeitung war ein Artikel über Melissa X, sprich Natalie Flowers,
Weitere Kostenlose Bücher