Die Totgesagten
vielleicht ist uns etwas entgangen. Und es könnte ja auch sein, dass die Techniker etwas im Wagen gefunden haben.«
»Hoffen wir’s.« Martin ging zum Auto.
»Ich glaube, ich gehe zu Fuß nach Hause«, sagte Patrik.
»Und wie willst du morgen zur Arbeit kommen?«
»Mal sehen. Vielleicht bitte ich Erica, mich mit Annas Auto hinzubringen.«
»Okay. Dann fahre ich jetzt mit dem Wagen nach Hause. Pia fühlt sich nicht besonders, ich werde mich heute Abend liebevoll um sie kümmern.«
»Hoffentlich nichts Ernstes?«
»Nein, sie war in letzter Zeit nur ein bisschen schlapp und fühlte sich nicht so gut.«
»Ist sie …?« Martins Blick brachte Patrik zum Schweigen. Mit anderen Worten, die Frage war unpassend. Grinsend winkte er Martin hinterher. Er freute sich auf zu Hause.
Lars massierte Hanna den Nacken. Sie saß mit geschlossenen Augen am Küchentisch. Ihre Arme hingen entspannt hinunter, aber ihre Schulterpartie war steinhart. So vorsichtig wie möglich versuchte Lars, die Verspannungen zu lösen.
»Mann, damit musst du echt zum Chiropraktiker, deine Muskeln sind voller Knoten.«
»Hm, ich weiß«, stöhnte Hanna und verzog das Gesicht, als er einen der Knoten kraftvoll bearbeitete. »Autsch.«
Lars hielt sofort inne. »Habe ich dir weh getan? Soll ich aufhören?«
»Nein, mach weiter«, bat sie mit schmerzverzerrtem Gesicht. Der Schmerz war angenehm. Es war ein wunderschönes Gefühl, wenn sich ein Muskel entspannte und ausdehnte.
»Wie ist es denn so in der Arbeit?« Seine Hände kneteten und kneteten.
»Doch,ganz gut. Aber ziemlich verschlafen. Keiner von denen ist besonders helle. Außer Patrik Hedström vielleicht. Und dieser etwas Jüngere, Martin, der könnte auch gut werden. Aber Gösta und Mellberg …« Hanna lachte. »Gösta spielt nur Computerspiele, und Mellberg habe ich bisher kaum zu Gesicht bekommen. Der pusselt den ganzen Tag allein in seinem Zimmer herum. Das wird eine echte Herausforderung.«
Für einen Augenblick heiterte sich die Stimmung ein wenig auf. Doch bald schlichen sich die düsteren alten Schatten wieder ein. Es gab so viel zu sagen. So viel zu tun. Aber sie kamen nie dazu. Die Vergangenheit lag zwischen ihnen wie ein riesiger Brocken, den sie nie würden überwinden können. Sie hatten es aufgegeben. Die Frage war, ob sie es überhaupt noch wollten.
Lars’ knetende Hand ging dazu über, Hannas Nacken zu streicheln. Mit geschlossenen Augen stöhnte sie leise.
»Wird das jemals aufhören, Lars?«, flüsterte sie, als seine Hände über ihre Schultern und Schlüsselbeine strichen und unter ihren Pullover glitten. Sein Mund war nun ganz nah an ihrem Ohr. Sie spürte seinen warmen Atem.
»Ich weiß es nicht, Hanna.«
»Aber wir müssen darüber reden. Irgendwann müssen wir darüber reden.« Sie hörte selbst den flehentlichen, verzweifelten Ton, der sich immer in ihre Stimme schlich, wenn dieses Thema zur Sprache kam.
»Nein, das müssen wir nicht.« Nun berührte seine Zungenspitze ihr Ohrläppchen. Sie versuchte, dagegen anzukämpfen, doch wie immer stieg die Hitze in ihr auf.
»Aber was sollen wir dann machen?« Verzweiflung und Erregung vermischten sich. Abrupt drehte sie sich zu ihm um.
Ganz nah an ihrem Gesicht flüsterte er: »Wir leben unser Leben. Tag für Tag, Stunde um Stunde. Wir tun unsere Arbeit, wir lächeln, wir tun alles, was von uns erwartet wird. Und wir lieben uns.«
»Aber…« Sein Mund auf ihren Lippen erstickte jeden Protest. Die Kapitulation, die nun folgte, kannte sie nur zu gut. So endete es immer, wenn sie mit ihm reden wollte. Überall spürte sie seine Hände, die brennende Spuren hinterließen. Dann kamen die Tränen. All die Jahre der Frustration, der Scham und der Leidenschaft lagen in diesen Tränen. Lars leckte sie gierig ab und hinterließ dabei feuchte Spuren auf ihren Wangen. Sie versuchte, sich wegzudrehen, aber seine Liebe und sein Hunger waren überall und erlaubten ihr nicht, sich loszureißen. Schließlich gab sie nach. Löschte alle Gedanken aus ihrem Kopf, alles Vergangene. Sie küsste ihn und klammerte sich mit ihrem ganzen Körper an ihn. Sie rissen einander die Kleider vom Leib und ließen sich auf den Küchenboden fallen. Wie von weit her hörten sie sich schreien.
Hinterher fühlte sie sich immer so leer. So verloren.
»Patrik war so still, als er gestern nach Hause kam.« Anna warf Erica, die sich aufs Fahren konzentrieren musste, einen forschenden Blick zu.
Erica seufzte. »Ja, er ist nicht richtig in Form. Ich
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