Die Totgesagten
aber …«, stammelte er. »Was soll ich denn machen? Sofie ist fünfzehn, ich kann sie nicht einsperren, wenn sie mir nicht gehorcht, und diese verdammte …« Er schluckte das Wort mit Müh und Not hinunter. »Die wird sich bestimmt nicht besonders kooperativ verhalten. Solange Marit noch lebte, musste ich diese … Geschichte ertragen, aber ich bin nicht bereit, diese Scheiße noch länger hinzunehmen!« Er schlug mit der Faust so heftig auf den Glastisch, dass Patrik und Martin zusammenschreckten.
»Sie schätzen den Lebensstil also nicht, für den sich Ihre Exfrau entschieden hat?«
»Lebensstil? Entschieden?« Ola rümpfte die Nase. »Hätte ihr diese Sau nicht solche Flausen in den Kopf gesetzt, wäre das nie passiert. Dann wären Marit, Sofie und ich noch eine Familie. Stattdessen hat Marit nicht nur Sofie und mich im Stich gelassen, sondern hat uns alle zum Gespött der Leute gemacht!« Er schüttelte den Kopf, als könne er es noch immer nicht fassen.
»Haben Sie Ihr Missfallen in irgendeiner Weise einmal zum Ausdruck gebracht?«
Ola sah ihn argwöhnisch an. »Wie meinen Sie das? Dass Marit uns verlassen hat, habe ich nicht gutgeheißen, und daraus habe ich auch keinen Hehl gemacht, aber den Trennungsgrund habe ich nie an die große Glocke gehängt. Man brüstet sich nicht damit, dass man für eine Frau verlassen worden ist.« Sein verbittertes Lachen verhieß nichts Gutes.
»Sie haben also nichts gegen Ihre Exfrau und Kerstin unternommen?«
»Ich verstehe nicht, worauf Sie hinauswollen.« Olas Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.
»Wir sprechen von Drohbriefen und anonymen Anrufen«, antwortete Martin.
»Undso etwas sollte ich getan haben?« Ola riss die Augen auf. Schwer zu sagen, ob seine Mimik ehrlich oder gespielt war. »Aber ist das überhaupt von Belang? Ich meine, Marits Tod war doch ein Unfall.«
Patrik ignorierte seine Bemerkung. Er wollte nicht sofort alles preisgeben, was sie wussten, sondern Stück für Stück mit der Wahrheit rausrücken.
»Jemand hat Kerstin und Marit anonyme Briefe geschickt und angerufen, ohne sich zu melden.«
»Kein Wunder.« Ola grinste. »Solche wie die ziehen eben eine gewisse Art von Aufmerksamkeit auf sich. In Großstädten wird so etwas vielleicht toleriert, aber nicht in unserer Gegend.«
Patrik erstickte fast an der Borniertheit, die dieser Mann ausstrahlte. Nur mit Mühe widerstand er dem Drang, ihn am Kragen zu packen und ihm die Meinung zu sagen. Sein einziger Trost war, dass Ola sich mit jedem Wort tiefer in die Scheiße ritt.
»Sie haben also weder die Briefe geschickt noch die anonymen Anrufe getätigt?« Auch Martin konnte seinen Abscheu nur schlecht verbergen.
»Nein, zu so etwas würde ich mich niemals herablassen.« Ola grinste überheblich. Er war so wahnsinnig von sich überzeugt, und seine Wohnung war so blitzblank und makellos. Patrik verspürte den starken Wunsch, ein wenig an Olas Weltbild zu rütteln.
»Sie haben also nichts dagegen, wenn wir Ihre Fingerabdrücke nehmen und sie mit denen vergleichen, die das SKL auf den Briefumschlägen finden wird?«
»Fingerabdrücke?« Auf einmal war das Grinsen wie weggeblasen. »Das verstehe ich nicht. Wozu noch nachträglich darin herumwühlen?« Jede Faser seines Gesichts verriet Nervosität. Patrik jubelte innerlich. Ein Seitenblick zu Martin verriet ihm, dass sein Kollege das Gleiche empfand.
»Beantworten Sie zuerst meine Frage. Oder kann ich davonausgehen, dass Sie uns gerne Ihre Fingerabdrücke geben, damit wir Sie als Täter ausschließen können?«
Nun wand sich Ola auf seinem Ledersessel. Seine Lider flatterten, und er fummelte an den Gegenständen herum, die auf dem Glastisch standen. Für Patriks und Martins Augen hatten sie schon vorher in Reih und Glied gestanden, doch Ola war offensichtlich anderer Ansicht. Millimeterweise verschob er die Dinge in verschiedene Richtungen, bis sie so exakt ausgerichtet waren, dass seine Nerven zur Ruhe kamen.
»Tjaaa«, meinte er gedehnt. »Dann werde ich wohl gestehen müssen.« Das Grinsen war wieder da. Er lehnte sich zurück und schien sein inneres Gleichgewicht wiedergefunden zu haben. »Ich kann Ihnen auch die Wahrheit sagen. Ich habe Kerstin und Marit einige Briefe geschickt und auch ein paarmal bei ihnen angerufen. Das war natürlich dumm von mir, aber ich hoffte, Marit würde einsehen, wie unmöglich dieses Verhältnis war, und wieder zur Vernunft kommen. Wir hatten es so gut miteinander gehabt. Und es hätte alles wieder gut
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