Die Totgesagten
schlüpfte in das Kleid. Dann atmete sie tief ein, ließ die gesamte Luft wieder raus und stellte sich so stoisch vor den großen Spiegel, wie ein Soldat sich ins Schlachtgetümmel stürzt. Ein verblüffter Ausdruck breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Das war doch gleich etwas ganz anderes. Es saß … es saß perfekt! Alles, was vorher furchtbar ausgesehen hatte, wirkte in diesem Kleid vorteilhaft. Der Bauch stand noch immer ein wenig vor, doch mit Hilfe eines guten Korsetts ließ sich dieses Problem sicher beheben. Baff blickte sie Anna und die Ladenbesitzerin an. Anna nickte entzückt, und die kleine Dame klatschte Beifall.
»So eine schöne Braut! Was habe ich gesagt? Dieses Kleid passt perfekt zu Ihrer Körpergröße und Ihren tollen Kurven!«
Erica betrachtete sich noch einmal im Spiegel, denn sie konnte ihre Skepsis noch nicht ganz abschütteln. Doch sie musste den beiden recht geben. Sie fand sich schön. Sie fühlte sich wie eine Prinzessin. Wenn sie in den Wochen bis zur Hochzeit noch ein paar überflüssige Kilos verlor, wäre es perfekt! Sie drehte sich zu Anna um.
»Ich brauche gar keine weiteren Kleider mehr anzuprobieren. Ich nehme das hier.«
»Wieschön!« Die Ladeninhaberin strahlte. »Sie werden mehr als zufrieden sein. Wenn Sie möchten, kann es bis zur Hochzeit hier hängen. Eine Woche vor dem Termin machen wir dann eine letzte Anprobe. Falls es ein wenig enger gemacht werden muss, haben wir noch genügend Zeit.«
»Danke«, flüsterte Erica und drückte die Hand ihrer Schwester. Anna erwiderte den Druck. »Du siehst wunderschön aus.« Erica glaubte, auch in den Augen ihrer Schwester einen feuchten Schimmer zu erkennen. Es war ein schöner Moment. Und den hatten sie sich nach allem, was passiert war, nach allem, was sie gemeinsam durchgestanden hatten, auch verdient.
»Na, wie ist es euch bisher ergangen?« Lars blickte in die Runde. Niemand sagte etwas. Die meisten starrten auf ihre Schuhe. Nur Barbie sah ihn intensiv an.
»Wer macht den Anfang?« Er sah sie auffordernd an, und nun hoben zumindest einige den Blick. Schließlich ergriff Mehmet das Wort.
»Doch, es läuft gut.«
»Möchtest du das näher ausführen?« Lars’ sanfte Stimme lud Mehmet ein, mehr zu erzählen.
»Na ja, ich meine, bis jetzt ist es ganz nett. Der Job ist total okay und so.«
»Wie erleben die anderen die berufliche Rolle, die ihnen zugeteilt wurde?«
»Berufliche Rolle«, schnaubte Calle. »Ich spüle den ganzen Tag schmutzige Teller. Heute Nachmittag werde ich mit Fredrik reden, damit sich an dieser Front mal etwas ändert.« Er warf Tina einen vielsagenden Blick zu, und sie starrte giftig zurück.
»Wie war die Woche für dich, Jonna?«
Jonna war die Einzige, die ihre Schuhe noch immer überaus interessant zu finden schien. Ohne aufzublicken, murmelte sie eine Antwort. Die Teilnehmer der kleinen Rundeauf dem geräumigen Flur des Heimathofs beugten sich vor.
»Entschuldige, Jonna, wir haben dich nicht verstanden. Würdest du das bitte wiederholen? Außerdem möchte ich dich bitten, uns in die Augen zu schauen, wenn du mit uns sprichst. Das ist eine Frage des Respekts. Sonst kommt es mir so vor, als würdest du uns von oben herab behandeln. Tust du das, Jonna?«
»Genau. Tust du das?« Uffe trat ihr gegen die Füße. »Glaubst du, dass du was Besseres bist als wir?«
»Das ist nicht besonders konstruktiv von dir, Uffe«, ermahnte ihn Lars. »Wir wollen hier eine freundliche und friedliche Atmosphäre schaffen, in der jeder seine Gefühle und Erfahrungen zum Ausdruck bringen kann und die Sicherheit und Unterstützung bekommt, die er braucht.«
»Das war wohl zu kompliziert für Uffe«, lachte Tina höhnisch. »Du musst dich verständlicher ausdrücken, damit er es auch schnallt.«
»Alte Fotze«, lautete Uffes eloquente Antwort. Er funkelte sie zornig an.
»Genau das meine ich.« In Lars’ Stimme lag nun eine gewisse Schärfe. »Es führt zu gar nichts, wenn ihr so aufeinander herumhackt. Ihr befindet euch alle in einer Extremsituation, die psychisch sehr belastend sein kann. Hier habt ihr die Gelegenheit, euch auf heilsame Weise von einem Teil dieses Drucks zu befreien.« Er sah jeden Einzelnen ernst an. Einige nickten. Barbie meldete sich.
»Ja, Lillemor?«
»Erstens heiße ich nicht mehr Lillemor, sondern Barbie«, korrigierte sie und zog einen Schmollmund. Dann lächelte sie. »Aber ansonsten finde ich es superschön! Dass wir zusammensitzen und uns aussprechen dürfen. Bei Big Brother gab
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