Die Totgesagten
Barbie zuletzt gesehen, als sie weinend Richtung Zentrum rannte.«
Martin nickte zustimmend. »Ja, das stimmt. Es gab ein bisschen Radau, aber das kommt sicher nicht als Ursache ihrer Verletzungen in Frage.«
»Wirwerden uns die Gruppe vorknöpfen und herausfinden, worum es überhaupt ging. Und ob jemand gesehen hat, wohin …« Er zögerte, bevor er den Namen in den Mund nahm. »… Barbie verschwunden ist. Mit dem Fernsehteam müssen wir uns auch unterhalten. Wir brauchen das Material, das sie gestern aufgenommen haben.«
Annika notierte die Arbeitsschritte, die Patrik aufzählte. Nach kurzem Überlegen fügte er hinzu: »Wir müssen auch dafür sorgen, dass ihre Familie informiert wird, und uns erkundigen, ob an dem Abend irgendjemand aus der Menge etwas beobachtet hat.« Er verstummte erneut und sagte dann ernst: »Wenn der Fall an die Öffentlichkeit kommt, und das wird maximal ein paar Stunden dauern, gibt es hier ein wahnsinniges Chaos. Diese Neuigkeit ist landesweit von Bedeutung. Wir müssen uns auf einen Belagerungszustand einstellen, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind. Passt also auf, mit wem ihr redet und was ihr sagt. Ich will keine Informationen in den Medien entdecken, die ich …« Er machte eine kleine Pause. »… und Mellberg nicht freigegeben haben.«
Wenn er ganz ehrlich war, befürchtete er, dass Mellberg selbst sich verplappern würde. Da ihr Chef das Rampenlicht liebte, konnten ihm die Reporter im Prinzip jede Information entlocken, indem sie ihm Honig um den Bart schmierten. Doch dagegen ließ sich im Moment nicht viel machen. Zumindest auf dem Papier war Mellberg der Chef, und Patrik konnte ihm keinen Maulkorb verpassen. Er musste einfach hoffen, dass Mellberg wenigstens ein bisschen gesunden Menschenverstand besaß. Allerdings hätte er nicht seine Hand dafür ins Feuer gelegt.
»Wir gehen folgendermaßen vor. Ich rede mit diesem Typen von der Produktionsfirma …« Er schnippte mit den Fingern, weil ihm der Name nicht einfallen wollte.
»Rehn, Fredrik Rehn«, sprang Mellberg ein. Patrik bedankte sich verblüfft. Sein Chef war ihm äußerst selten eine Hilfe.
»Genau,Fredrik Rehn. Martin und Hanna, ihr schreibt auf, was ihr gestern Abend gesehen und gehört habt. Und Gösta …« Fieberhaft suchte er nach etwas Sinnvollem, worauf er Gösta ansetzen konnte. Schließlich fiel ihm etwas ein. »Gösta, du stellst Erkundigungen über die Eigentümer des Hauses an, zu dem die Mülltonne gehört. Ich vermute zwar nicht, dass eine Verbindung besteht, aber man weiß ja nie.«
Gösta nickte müde. Ein konkreter Arbeitsauftrag. Er spürte bereits den Druck auf der Brust.
»Nun denn.« Patrik klatschte in die Hände. Die Besprechung war beendet. »Wir haben viel zu tun.« Murmelnd standen die anderen auf. Patrik sah ihnen nach, während sie den Raum verließen. Er fragte sich, ob ihnen wirklich klar war, welche Urgewalt über sie hereinbrechen würde. Bald würden sich alle Scheinwerfer Schwedens auf Tanum richten. Sie würden sich daran gewöhnen müssen, den Namen ihres Wohnorts in nächster Zeit auf den Titelseiten zu lesen, so viel stand fest.
»Mann, wird das gut! Ich rieche den Erfolg zehn Kilometer gegen den Wind!« In dem engen Ü-Wagen klopfte Fredrik Rehn seinem Assistenten anerkennend auf die Schulter. Sie hatten das Material des Vortags gesichtet und mit dem Schneiden begonnen. Was Fredrik sah, gefiel ihm. Aber nichts war so gut, als dass es nicht noch verbessert werden konnte.
»Lass uns noch mehr Buhrufe drauflegen, wenn Tina singt! Auf dem Tonband klingen sie etwas dünn, aber ihr grottenschlechter Auftritt hat eindeutig mehr verdient.« Er lachte, und der Cutter nickte begeistert. Mehr Buhrufe waren überhaupt kein Problem. Mühelos ließ sich der Eindruck erwecken, jeder im Publikum hätte laut gegrölt.
»Also, die Gruppe ist diesmal echt super«, schnurrte Fredrik. Er lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. »Die merken gar nicht, wie bescheuert sie sind. Tinaglaubt allen Ernstes, sie wäre die neue Carola Häggkvist, dabei trifft sie keinen einzigen Ton! Der Produzent ihrer neuen Single hat mir erzählt, dass die Mischung ein Alptraum war. Sie hat so falsch gesungen, dass beinahe die Lautsprecher verreckt wären.« Lachend beugte sich Fredrik übers Mischpult und drehte am Lautstärkeregler. »Hör dir das mal an!« Vor Lachen liefen ihm Tränen übers Gesicht, und auch der Cutter musste grinsen, als er eine Version ihres Songs »I want to be your
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