Die Totgesagten
tun hatte.
»Ich gehe davon aus, dass die Sendung mit sofortiger Wirkung aus dem Programm genommen wird?« In Patriks Augen handelte es sich nicht um eine Frage, sondern um eine Feststellung.
»In den kommenden vier Wochen haben wir einen festen Sendeplatz. Eine laufende Produktion stoppen … Nein, ausgeschlossen. Ich glaube auch nicht, dass Barbie das gewollt hätte. Sie hätte gewollt, dass wir weitermachen.«
Ein Blick auf Patrik sagte ihm, dass er zu weit gegangen war.Der Kommissar hatte einen hochroten Kopf und schien nur mit Mühe einen Schwall von Beschimpfungen zu unterdrücken.
»Sie wollen doch nicht etwa weiterdrehen, obwohl …« Er hielt verärgert inne. »Wie lautete eigentlich ihr richtiger Name? Ich kann sie unmöglich weiter Barbie nennen, das ist einfach erniedrigend! Im Übrigen benötige ich alle Angaben zu ihrer Person und ihren nächsten Angehörigen. Könnten Sie sich vorstellen, mir diese mitzuteilen, oder widerspricht das ebenfalls Ihrer … ›Ethik‹?« Das letzte Wort triefte vor Sarkasmus, aber an Fredrik prallte Patriks Zorn ab. Er war an die Aggressionen gewohnt, die dieses Fernsehformat aus irgendwelchen Gründen hervorrief.
»Sie heißt Lillemor Persson. Da sie in Pflegefamilien aufgewachsen ist, liegen uns zu ihren nächsten Angehörigen keine Angaben vor. Aber wir geben Ihnen alles, was wir haben. Kein Problem.« Er lächelte verbindlich. »Wann beginnen Sie denn mit den Verhören? Dürften wir vielleicht mit der Kamera dabei sein?« Versuchen konnte man es ja mal. Patriks vernichtender Blick war jedoch eine deutliche Absage.
»Wir werden unverzüglich mit den Verhören anfangen«, antwortete Patrik kurz und stand auf. Ohne sich zu verabschieden, knallte er die Tür hinter sich zu.
»Das ist ja krass!«, keuchte Fredrik. Der Cutter brachte nur ein Kopfnicken zustande. Fredrik konnte kaum fassen, was für einen Volltreffer sie gelandet hatten, welche Dramatik sie nun direkt in die Wohnzimmer senden konnten. Ganz Schweden würde vorm Fernseher hocken. Eine Sekunde lang dachte er an Barbie. Dann griff er zum Hörer. Die Bosse mussten davon erfahren. Raus aus Tanum goes CSI . Mann, das war ein echter Knaller!
»Wie sollen wir vorgehen?«, fragte Martin. Hanna und er waren zum Arbeiten in der Teeküche geblieben. Er streck tedie Hand nach der Kaffeemaschine aus und schenkte ihre Tassen voll. Hanna goss ein wenig Milch dazu und rührte um. »Sollen wir jeder zuerst einen eigenen Bericht schreiben, oder wollen wir gleich zusammen einen verfassen?«, schlug Martin vor.
Hanna überlegte einen Augenblick. »Ich glaube, es ist am effektivsten, wenn wir einen gemeinsamen Bericht schreiben und währenddessen unsere Erinnerungen und Eindrücke miteinander abstimmen.«
»Da könntest du recht haben.« Martin klappte das Notebook auf. »Soll ich tippen, oder möchtest du?«
»Schreib du. Ich arbeite immer noch mit Zweifingersystem und bin schrecklich langsam.«
»Okay.« Lachend gab Martin das Kennwort ein und öffnete ein neues Word-Dokument.
»Das Erste, was ich von dem Streit gestern Abend bemerkt habe, waren laute Stimmen hinter dem Haus. Hast du das genauso erlebt?«
Hanna nickte. »Ja, davor ist mir nichts aufgefallen. Vor dem Streit haben wir uns lediglich mit diesem Mädchen befasst, das so betrunken war, dass es nicht mehr aufstehen konnte. Wie spät mag es da gewesen sein? Zwölf?«
Martin schrieb, während Hanna weitersprach. »Ich glaube, gegen eins habe ich gehört, wie sich zwei anschrien. Ich habe dich gerufen, wir sind zusammen hinters Haus gegangen, und da haben wir Barbie und Uffe entdeckt.«
»Hm.« Martin schrieb weiter. »Ich habe auf die Uhr gesehen, es war zehn vor eins. Ich bin vorangegangen und habe zuerst gesehen, wie Uffe Barbie an den Schultern packte und sie kräftig schüttelte. Wir sind hingerannt, ich habe mir Uffe geschnappt, und du hast dich um Barbie gekümmert.«
»Ja, genau.« Hanna trank einen Schluck Kaffee. »Schreib, dass Uffe total aggressiv war. Er hat noch mit den Füßen nach ihr getreten, als du ihn festgehalten hast.«
»Ja,genau.« Der Text wurde immer länger.
»Wir haben die Situation entschärft«, las er laut vor, »und die Beteiligten getrennt. Ich habe Uffe erklärt, dass wir ihn zur Wache mitnehmen, wenn er sich nicht einkriegt.«
»Ich hoffe, du schreibst nicht ›einkriegt‹«, lachte Hanna.
»Nein, ich werde den Text später noch überarbeiten und bürokratisieren, keine Sorge, aber im Moment lass ich es lieber
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