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Die Traene des Drachen

Die Traene des Drachen

Titel: Die Traene des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Matesic
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Maél konnte trotz Übelkeit den Blick nicht von seinem Peiniger wenden. Wie gebannt, starrte er auf das Gesicht des Zauberers. Die Veränderung, die sich darin vollzog, war zugleich beängstigend und faszinierend. Sein fahler Teint und die dunklen Ringe um die Augen wichen einer rosigen Farbe. Das ausgemergelte Gesicht gewann wieder an Fülle, was ihn wieder um zwanzig Jahre jünger erscheinen ließ. Sein schlohweißes Haar verlor seine Stumpfheit und nahm einen fast überirdischen, silbrigen Glanz an. Die Veränderung von Darrachs Augen brachte jedoch schließlich Maéls Atem zum Stocken. Ihr zuvor noch wässriges Blau verwandelte sich in ein strahlendes, unnatürlich wirkendes Blau, das von einer solchen Intensität war, dass er den Blick von dem Zauberer abwenden musste. Maél schloss die Augen und musste gegen die erneut in ihm aufsteigende Panik ankämpfen. Es war nicht die Panik vor dem, was Darrach ihm jetzt oder in Zukunft antun würde, sondern die Panik vor dem, was er im Moment plante, solange sich Elea und der Drache noch im Berg aufhielten. Irgendetwas hatte er vor und er schien ziemlich zuversichtlich zu sein, was das Gelingen seines neu gefassten Planes anbelangte. Weiter kam Maél mit seinen Gedanken nicht mehr, da Darrach zu ihm mit deutlich an Kraft gewonnener Stimme sprach. „Ich nehme an, dass du nicht freiwillig über das berichten wirst, was sich auf der Reise von Rúbin nach Moray zwischen dir und der Hexe zugetragen hat. Und da eine Folter dich jetzt unnötig schwächen würde, in Anbetracht dessen, was dich nachher noch zu erwarten hat, werde ich dir – großzügig wie ich bin – zu einem für dich erholsamen und für mich äußerst aufschlussreichen Schlaf verhelfen.“ Daraufhin wühlte Darrach erneut in seiner Tasche herum, bis er eine kleine Holzflasche hervorholte. Maél drückte reflexartig die Lippen aufeinander und drehte den Kopf weg. Doch schon spürte er, wie sich von dem Schlangenring ausgehend die ihm nur allzu bekannte Eiseskälte ausbreitete, die seine Gliedmaßen zusätzlich zu der Verschnürung noch versteifen ließ. So war es für Darrach ein Leichtes, das Gesicht des Mannes etwas zu sich zu drehen. Maél fiel das Atmen zusehends schwerer. Alles erstarrte, auch seine Lungen. Es dauerte nicht lange, bis er wie ein nach Luft schnappender Fisch seinen Mund aufriss, was der Zauberer gnadenlos ausnutzte, um ihm die Flüssigkeit aus der Holzflasche einzuflößen. Eine Schwere legte sich mit einem Mal wie zäher Morast auf seinen Verstand. Es fiel ihm von Augenblick zu Augenblick schwerer einen Gedanken zu Ende zu denken, bis auf einmal jegliches Denken unmöglich war. Es kostete ihn ungeheure Kraft, die Lider aufzuhalten, die wie mit Bleigewichten versehen, immer wieder über seine Augäpfel gleiten wollten. Schließlich verlor er den Kampf.
    Darrach legte seine Hände so auf Maéls Gesicht, dass die Daumen auf dessen geschlossenen Lidern ruhten. Wieder kamen leise Worte der fremdartigen Sprache über seine Lippen, die er bereits benutzt hatte, um mit Maéls Blut auf der Landkarte dessen Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Nach einer Weile verstummte er, nahm seine Hände wieder von Maéls Gesicht und ließ sich in einem bequemen Schneidersitz neben ihm nieder. Er stellte eine Frage nach der anderen und ließ sich von dem schlafenden Mann alles haargenau schildern, was sich auf den beiden Reisen zwischen ihm und Elea zugetragen hatte. Und er hörte erst auf, als er davon überzeugt war, Elea genauso gut zu kennen wie Maél.
     
     

Kapitel 9
     

    Elea befand sich in einem Zustand des absoluten inneren Friedens. Sie dachte an gar nichts. Ihr Verstand ruhte. Sie war umgeben von einer schützenden, Wärme spendenden Hülle, in der ihr Körper völlig entspannt und schwerelos schwebte – so entspannt und schwerelos, dass sie ihn überhaupt nicht spürte. Sie nahm nur diese wunderbare Ruhe und die Wärme wahr, sodass sie sich wie ein körperloses Wesen in einer übernatürlichen Sphäre bewegte.
    Plötzlich wurde sie aus ihrem friedvollem Dämmerzustand von einem Geräusch gerissen, das - wie ein spitzer Stein, den man auf einer Fensterscheibe entlang zieht - an der Oberfläche ihres Bewusstseins kratzte. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie dieses Geräusch als den Klang einer Stimme deutete. Und diese immer wieder erklingende Stimme, die eben noch unsanft ihren inneren Frieden gestört hatte, kam ihr von Mal zu Mal vertrauter vor. Sie konnte nicht sagen, woher diese Stimme kam.

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