Die Traene des Drachen
Strafe, die dich ereilen wird, alle bisherigen in den Schatten stellen.“ Darrach sprach in einem so ruhigen und souveränen Ton, dass Maéls Magen plötzlich vor Panik bittere Galle seine Kehle hinaufschickte, die er würgend wieder hinunterschluckte. Darrach ergötzte sich eine Zeit lang mit hämischem Lächeln an seinem Entsetzen. Als seine Begleiter mit dem Aufbau der Zelte fertig waren, rief er drei zu sich und befahl ihnen, Maél in sein Zelt zu bringen. „Was hast du vor, du verfluchter Schweinehund? Ich schwöre dir, irgendwann, auch wenn es noch in ferner Zukunft liegen mag, werde ich dich den Preis dafür zahlen lassen, was du mir und Elea angetan hast, falls sie mir nicht eines Tages zuvorkommt.“
Maél wand sich mit all seiner Kraft in den Fesseln und kämpfte so vehement gegen die ihn festklammernden Hände an, dass auch noch die anderen beiden Krieger von dem Zauberer herbeizitiert wurden. Im niederen Zelt angekommen ging der Kampf zwischen Maél und den fünf Kriegern weiter. Darrach forderte sie auf, Maél mit noch mehr Seilen zu fesseln, damit er sich nicht mehr bewegen konnte. Hierfür pflockten sie ihn auch an den Boden. Sie schlugen durch einen Teil der Seile lange, dicke Nägel, die Darrach aus seiner großen Tasche hervorgeholt hatte. Das Zelt schwankte gefährlich, da Maél sich wie ein Wilder wehrte. Schweißgebadet und mit heiser geschriener Stimme musste er schließlich aufgeben. Er war so verschnürt und an den Boden gepflockt, dass er sich keinen Fingerbreit mehr bewegen konnte. Die eingeschüchterten Krieger verließen auf Darrachs Befehl mehr als bereitwillig das Zelt. Sie hatten jetzt nicht mehr nur Angst vor Darrach, sondern auch vor Maél – noch mehr als sonst -, da er ihnen die grausamsten Tötungsweisen angedroht hatte.
Es dauerte nicht lange, bis das Zelt sich durch die gleißenden Sonnenstrahlen aufgeheizt hatte. Darrach wurde es in seiner Felltunika zu heiß. Deshalb zog er sie aus. Maél hatte seinen Kopf so gedreht, dass ihm nicht die kleinste Bewegung des Zauberers entging. Im Moment kramte er in einer riesigen Tasche herum, bis er gefunden hatte, was er gesucht hatte: einen kleinen Becher, einen Lederriemen... und ein Messer. Verdammt! Was hat er vor? Als Darrach sah, wie Maél ihn angsterfüllt beobachtete, begann er in seiner hochmütigen und eiskalten Stimme zu sprechen. „Maél, bisher habe ich nie mit dir darüber gesprochen. Doch ich glaube jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo ich dir sagen kann, dass du nicht nur mein kostbarstes Werkzeug bist, sondern auch der Quell meiner Lebenskraft. Als ich der besonderen Bedeutung von Menschenblut für dein Leben auf die Spur gekommen bin, wagte ich einen riskanten Selbstversuch. Ich war neugierig, wie dein Blut sich auf einen anderen Menschen auswirkt. Deshalb trank ich davon. Dabei machte ich eine äußerst vorteilhafte Entdeckung: Dein Blut vermag mir, auf recht schnelle Weise neue Lebenskraft zu verschaffen. So habe ich mir in deinen Kindertagen einen beachtlichen Vorrat davon angelegt. Eine kleine magische Zutat von mir hat es über Jahre hinweg haltbar gemacht. Die Arbeit mit den Schriftrollen in den letzten Monaten hat sehr an mir gezehrt, sodass ich fast den gesamten Vorrat an deinem kostbaren Lebenssaft aufbrauchen musste.“
Maél kämpfte gegen einen immer stärker werdenden Würgereiz an. Sein Blick war voller Entsetzen, als er zusehen musste, wie Darrach sich bedrohlich mit dem Messer seinem Bein näherte. „Du verdammter Mistkerl! Bleib mir vom Leib!“ Er begann sich in seiner Verschnürung zu wehren, aber es war zwecklos. Er war Darrach hilflos ausgeliefert. Der Zauberer schnitt zunächst seine Lederhose am Oberschenkel auf, dann machte er einen tiefen Schnitt in das Fleisch des jungen Mannes. Maél gab keinen Schmerzenslaut von sich, obwohl das Eisen sein heißes Gift in seinem Muskel hinterließ. Er beobachtete, wie Darrach den Becher an die Schnittwunde hielt und das dünne, dunkelrote Rinnsal in dem Becher auffing. Irgendwann setzte er den Becher ab und band Maéls Bein oberhalb der Wunde ab. Anschließend ergriff er wieder den Becher, setzte ihn an seinen Lippen an und begann, bedächtig zu trinken, ohne Maél mit seinem höhnischen Grinsen aus den Augen zu lassen. Maél schrie vor Wut, vor Hilflosigkeit und vor Grauen. Nachdem der Zauberer den Becher leer getrunken hatte, lockerte er wieder den Lederriemen und wiederholte die Prozedur noch zweimal. Allerdings bewahrte er den dritten Becher Blut auf.
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