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Die Tränen der Henkerin

Die Tränen der Henkerin

Titel: Die Tränen der Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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ein wenig, doch kein verdächtiges Pochen deutete darauf hin, dass sie entzündet war. Melisande fragte sich, wie lange sie schon in dem einsamen Verlies lag. Stunden? Oder Tage? Nein, so lange nicht. Man würde sie sicherlich sobald wie möglich wieder befragen. Es war schon erstaunlich, dass man sie nach dem kleinen Schwächeanfall so sang- und klanglos wieder zurückgebracht hatte. Normalerweise würde der Henker einem Delinquenten in einem solchen Augenblick einen Eimer Wasser ins Gesicht schütten, um ihn zu wecken, und die Befragung fortsetzen.
    Einen Eimer Wasser! Melisande erschrak. Sie erinnerte sich an Wasser – und an die überraschten Ausrufe der Männer. Hektisch blickte sie an sich herunter. Sie trug nur noch ihre weiße Cotte, die Übergewänder hatte man ihr abgestreift. Der Stoff war noch immer feucht, und obwohl die weiblichen Rundungen ihres Körpers nicht sehr üppig waren, waren sie gut zu erkennen. Braune Streifen zeichneten sich auf dem hellen Stoff ab. Instinktiv fuhr sie sich durch die Haare. Das Wasser hatte auch einen Teil der Farbe ausgewaschen, nicht viel, aber genug, um zu offenbaren, dass ihr Haar in Wirklichkeit rot war. Also wussten sie nicht nur, dass sie eine Frau war, sondern vermutlich auch, welche Frau. Das war das Ende.
    Sie würde Esslingen nicht lebend verlassen.
***
    Das hatte von Säckingen gerade noch gefehlt. Wendel Füger und sein Leibwächter Antonius! Weshalb war er nicht einfach weitergeritten und hatte einen Platz gewählt, wo er seine Ruhe hatte? Sonst suchte er auch nicht die Nähe anderer Reisender. Warum ausgerechnet heute, wo die Aufgabe, die vor ihm lag, auch ohne weitere Komplikationen schwer genug war? Jetzt war es zu spät, und er musste schnell handeln, denn dieser Antonius hatte das Schwert gezogen, kaum dass er auf die Lichtung getreten war. Von Säckingen hatte es ihm gleichgetan, und nun standen sie sich gegenüber, die Klingen über ihren Köpfen erhoben, bereit zu einem Kampf auf Leben und Tod.
    Auch der verfluchte Füger, der Mann mit den sieben Leben, hatte inzwischen das Schwert in der Hand. Er war einige Schritte nach rechts ausgewichen, keine schlechte Taktik, denn jetzt musste von Säckingen das Schwert zwischen beide halten. Griff er einen der Männer an, konnte der andere ihm in den Rücken fallen. Antonius allein wäre schon ein harter Brocken, mit beiden würde er kaum fertig werden. Er ließ die Schwertspitze ein wenig sinken, um anzudeuten, dass er nicht angreifen wollte.
    »Was wollt Ihr hier, Ritter von der Adlerburg?«, rief Wendel Füger und verlagerte sein Gewicht auf das linke Bein. Das Schwert hielt er immer noch über dem Kopf, eindeutig eine Angriffsposition. »Habt Ihr nicht schon genug angerichtet? Wollt Ihr meinen Kopf? Dann kommt, und holt ihn Euch!«
    Von Säckingen verzog verächtlich das Gesicht. »Zwei gegen einen, da könnt Ihr große Reden führen. Legt Euren Wachhund an die Kette, dann können wir gerne ausfechten, wer von uns beiden Gott mehr gefällt.«
    Antonius machte einen Schritt auf von Säckingen zu. »Nehmt es mit mir auf, wenn Ihr Euch traut. Ihr habt wohl gedacht, Ihr könntet uns im Schlaf überraschen? Das würde zu Euch passen.«
    Wut stieg in von Säckingen auf. Was bildeten diese beiden Großmäuler sich ein? Er war ein Ritter, kein Meuchelmörder, sonst würde dieser Füger gar nicht hier stehen. Aber er musste Ruhe bewahren. Er war nicht hergekommen, um irgendwen zu töten, im Gegenteil: Er war unterwegs, um jemandem das Leben zu retten, vorerst zumindest. Er wandte sich an Wendel. »Ich trachte niemandem nach dem Leben, Füger. Das müsst Ihr mir glauben. Der Zufall hat mich hierhergeführt, ich bin auf der Durchreise, genau wie Ihr, und habe mich ans Feuer begeben in der Hoffnung auf ein bisschen Wärme und Sicherheit während der dunklen Stunden der Nacht.«
    »Ach wirklich?«, rief Wendel. »Das Feuer und die schützende Gesellschaft sind aber fünfzig Schritte von hier entfernt.«
    »Ich musste austreten, dabei habe ich nicht gern Zuschauer.«
    Der junge Weinhändler blieb misstrauisch. »Und wohin seid Ihr unterwegs?«
    Von Säckingen stöhnte innerlich. »Können wir das nicht in Ruhe besprechen?«, fragte er. »Ohne uns dabei gegenseitig mit der Waffe zu bedrohen? Senkt Euer Schwert, und ich senke meines.«
    Wendel Füger verzog das Gesicht. »Niemals. Senkt Ihr das Eure, dann senken wir die unseren.«
    Von Säckingen lachte bitter auf. »Damit Ihr über mich herfallt?«
    »Wir sind Euch so

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