Die Tränen der Henkerin
wenn sie sagte, dass sie ein Kind erwarte? Würde man ihr überhaupt glauben? Es würden schließlich noch viele Wochen vergehen, bis man ihr die Schwangerschaft ansah. Und dann? Was würden sie mit dem Kleinen machen, wenn sie es zur Welt gebracht hatte? Sie stellte sich vor, wie Konrad Sempach sich anbot, den Hexenbastard großzuziehen, und ihr Magen krampfte sich zusammen.
Wieder hörte sie ein Geräusch. Diesmal deutlicher. Schlüsselrasseln und Schritte waren zu vernehmen, die langsam näher kamen. Die Tür wurde aufgestoßen, ein Büttel trat ein. Melisande rappelte sich auf, bereit, um ihr Leben zu kämpfen, sollte sich der stinkende Fettwanst über sie hermachen wollen. Aber nichts dergleichen geschah.
Sempach tauchte hinter ihm auf und grinste. »Aber, aber«, sagte er beschwichtigend, fast so, als wolle er sie tatsächlich beruhigen. »Wer wird denn solche Angst haben? Keine Sorge, du hast nichts von uns zu befürchten, zumindest nicht, solange du brav bist.« Er grinste. »Komm mit!«
Der Büttel griff sie grob am Arm und stieß sie so unsanft in den Gang, dass sie fast gestürzt wäre. Melisande biss die Zähne zusammen. Vielleicht schaffte sie es ja doch, die dreimalige Folter zu ertragen? Die glühende Zange hatte sie schon überstanden, ihr Arm schmerzte, aber die Wunde hatte sich nicht entzündet.
Als sie an der Tür zum Thronsaal vorbeigingen, beschlich Melisande ein ungutes Gefühl. Sempach führte irgendetwas im Schilde, aber was?
»Meine Kollegen sind ein wenig zu arglos«, sagte der Ratsherr über die Schulter hinweg. »Sie glauben an das Gute im Menschen, ein törichter Fehler, den ich nicht mache, denn ich weiß es besser.«
Mit Stößen in den Rücken schob der Büttel Melisande weiter. Wollte Sempach sie ohne Aufsicht foltern? Das würde ihm eine Menge Probleme einbringen – es sei denn, er tat Dinge, die man ihr später nicht ansehen würde. Der Gedanke ließ sie straucheln. Sie stolperte und handelte sich einen Fußtritt des Büttels ein.
Sempach löste einen Schlüssel von seinem Gürtel und öffnete die Tür zu einem selten genutzten Einzelverließ. Der Büttel stieß Melisande in den Raum, Sempach entzündete Fackeln und baute sich vor Melisande auf, sodass sie nicht sehen konnte, was sich hinter ihm befand. »Jetzt werden wir zwei uns ein bisschen unterhalten, Melissa Füger«, sagte er aufgeräumt.
Mit einem Schritt trat er zur Seite. Melisandes Blick fiel auf eine seltsame Maschine. Sie brauchte nur wenige Augenblicke, um zu begreifen, wozu dieses Monstrum gebaut worden war, auch wenn sie nicht die Funktion eines jeden Teils verstand.
Bevor sie auch nur einen Ton von sich geben konnte, stopfte ihr der Büttel einen Knebel in den Mund, stieß sie in die Maschine, legte ihr einen Hüftgurt und einen Kopfriemen an und befestigte Bänder an Händen und Füßen, sodass sie sie noch bewegen, aber nicht wegziehen konnte. Zum Schluss legte er ihr ein Würgeband um den Hals und machte damit eine Flucht aus dem Höllengerät gänzlich unmöglich.
Melisandes Puls raste, das Blut rauschte ihr in den Ohren. Herr, dachte sie, habe ich so sehr gesündigt, dass du mir eine solch schwere Prüfung auferlegst? Wenn du mich strafen musst, verschone zumindest das unschuldige Leben, das ich in mir trage!
Sempach warf dem Büttel ein paar Münzen zu. Er fing sie geschickt auf, verließ den Raum und schloss leise die Tür hinter sich. Melisande wurde es übel vor Angst. Jetzt war sie allein mit ihrem Todfeind. Sempach würde sie langsam zu Tode quälen, und er würde einen Weg finden, ihren Tod als natürlich auszugeben. Gertrud, dachte sie, meine liebe Gertrud! Ich kann dir vielleicht nicht mehr helfen, doch verzweifle nicht. Dein Vater wird kommen.
Trotz allem, was zwischen ihnen vorgefallen war, glaubte Melisande fest daran, dass Wendel seine Tochter nicht im Stich lassen würde. Wenn er nicht ihretwegen kam, dann zumindest, um Gertrud zu retten.
Sempach schnalzte mit der Zunge. »Du bist tapfer, das muss man dir lassen, und das ist genau das, was ich schätze. Je länger es dauert, desto besser. Es hat sich herausgestellt«, Sempach lachte blökend, »dass du ein Weib bist. Noch dazu nicht irgendein Weib, sondern eines, das wegen Mordes und Kindesentführung gesucht wird. Ist es nicht so?« Er sah sie abwartend an. Dann schlug er sich mit der Hand an die Stirn. »Verzeih, du kannst ja gar nicht sprechen.«
Er trat an die Maschine heran, zog ihr den Knebel aus dem Mund und tätschelte ihr
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