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Die Tränen der Henkerin

Die Tränen der Henkerin

Titel: Die Tränen der Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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die Stimme sei auffällig. Na? Dämmert es jetzt?« Remser rieb sich das rechte Handgelenk.
    Langkoop kniff die Augen zusammen. »Ihr meint doch nicht etwa …« Er unterbrach sich. »Nein, das kann nicht sein.« Er wedelte mit den Händen durch die Luft, als wollte er Wespen vertreiben. »Nein«, wiederholte er. »Nein und nochmals nein.«
    Remser hob die Augenbrauen.
    Schedel erbleichte. »Melchior! Der stumme Melchior.« Er schluckte. »Unser Henker!«
    Langkoop kicherte nervös. »Das ist nicht Euer Ernst! Ich bitte Euch, meine Herren! Das wäre eine absolute Katastrophe. Die Reichstadt Esslingen hatte ein Weib als Henker? Ein Mädchen, das sich als Knabe verkleidete? Und niemand hat es bemerkt? Ganz Württemberg würde sich über uns totlachen, wenn das herauskäme! Mehr noch, wir wären das Gespött des gesamten Reiches!«
    »Das wären wir in der Tat.« Remser faltete die Hände. »Deshalb muss ich wohl nicht betonen, dass niemand außer uns etwas davon erfahren darf.«
    Schedel zeigte auf das Pergament und machte eine Miene, als halte Remser den Schwanz des Teufels in den Händen. »Und das alles steht da drin?«
    »Nicht das über Melchior. Aber alles andere.« Remser reichte es ihm. »Lest selbst.«
    Schedel nahm es entgegen und entrollte es.
    Langkoop erhob sich, stellte sich hinter Schedel und las mit. »Grundgütiger«, hauchte er.
    Remser durchmaß das Zimmer mehrere Male, während die Männer lasen, und nahm wieder Platz, als seine Knie anfingen zu schmerzen. Ob er doch versuchen sollte, weniger Fleisch zu essen? Vielleicht half es tatsächlich gegen diese Folter, die seine Gelenke in Feuer zu tauchen schien.
    Schedel ließ das Pergament sinken. »Falls das alles wahr ist und wirklich Ottmar de Bruce hinter dem Überfall steckte, wie diese Katherina Füger behauptet, dann haben wir Unschuldige getötet, als wir die Kronenburg zerstört haben, weil wir dachten, ihr Herr sei für das Gemetzel an der Familie Wilhelmis verantwortlich.«
    Langkoop schürzte die Lippen. »Friedrich von der Kronenburg war nicht gerade ein Heiliger …«
    Remser schlug mit der Faust auf den Tisch. »Wenn das ruchbar wird, dann werden uns Ulrich und der Kaiser eine Rechnung präsentieren, die sich gewaschen hat. Im schlechtesten Fall erheben sie Klage, weil wir den Landfrieden gebrochen haben.«
    »Aber die Feldzeichen, die wir am Schauplatz des Verbrechens fanden …« Schedel schien in sich zusammenzufallen.
    »Ja, ja, die Feldzeichen.« Remser leerte seinen Krug. »Seid ehrlich: Wie gründlich haben wir den Fall untersucht?«
    Langkoop und Schedel betrachteten den Boden und schwiegen.
    »Genau!«, rief Remser. »Wir hätten uns mehr Zeit nehmen müssen. Schließlich wussten wir alle, dass de Bruce mit Konrad Wilhelmis im Zwist lag. Aber mit dem wollten wir uns nicht anlegen, ist es nicht so?«
    Schedel hob den Kopf. »Warum ist sie nicht zu uns gekommen?«
    »Weil sie wusste, dass ihr Gegner nicht ruhen würde, bis auch sie tot wäre. Wir hätten sie auf Dauer nicht schützen können«, erwiderte Remser leise.
    Schedel nickte. »Ich nehme an, sie hatte einen weisen Ratgeber.«
    »Raimund Magnus«, sagte Remser. »Wir haben ihn unterschätzt. Er hat uns Melisande Wilhelmis als seinen Neffen Melchior präsentiert, und wir alle sind darauf hereingefallen. Wahrscheinlich hat er ihr mit seiner Posse das Leben gerettet.«
    »Eine Henkerin!« Schedel schlug die Hände zusammen. »Und eine verdammt gute noch dazu. Hatten wir je einen besseren Henker als Melchior?«
    »Nein«, antwortete Remser. »Dieser Ekarius ist ein Metzger, das wisst Ihr nur zu gut.« Er kratzte sich am Kopf. »Aber darum geht es nicht. Wir müssen etwas unternehmen.«
    Karl Schedel stand auf. »Wir nehmen sie wieder bei uns auf – als Tochter der Stadt. Das ist das Mindeste, was wir für sie tun können.«
    »Immer mit der Ruhe, mein lieber Schedel«, entgegnete Remser und bedeutete ihm, wieder Platz zu nehmen. »So gern ich Eurem Vorschlag zustimmen würde, wir müssen das Wohl der Stadt im Auge behalten.«
    »Und das heißt?«
    »Dass niemand erfahren darf, wer sie in Wirklichkeit ist; dass sie unser Henker war und uns alle an der Nase herumgeführt hat. Dass wir die Kronenburg …« Remser rieb Daumen und Zeigefinger aneinander, um Schedel noch einmal klarzumachen, dass es auch um viel Geld ging.
    Schedel setzte sich wieder. »Aber was sollen wir dann tun?«
    »Dieser Brief wurde von einer Frau geschrieben, die –«, Remser räusperte sich, »der jedes

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