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Die Tränen der Henkerin

Die Tränen der Henkerin

Titel: Die Tränen der Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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Unschuldiger dem Henker zur peinlichen Befragung vorgeführt wurde, das hatte sein Sohn bereits am eigenen Leibe erfahren müssen. Um keinen Preis der Welt wollte er Wendel ein zweites Mal solchen Torturen aussetzen. Er wollte ihn schließlich nicht verlieren, sondern ihm eine Lehre erteilen und ihn nach Hause holen – weg von dieser rothaarigen Hexe, die ihm den Kopf verdreht hatte.
    De Willms beugte sich vor, die Hände auf die massive Tischplatte gestützt. Sein Gesicht war nicht mehr blass, sondern rot vor Zorn. »Sprecht«, sagte er so leise, dass Erhard ihn fast nicht verstand. Offenbar stand er kurz davor, die Fassung zu verlieren.
    »Die Angelegenheit ist äußerst heikel, mein lieber de Willms«, sagte Erhard bedächtig. »Ich bin an einer Aufklärung ebenso interessiert wie Ihr, und je eher der Mörder in Eisen gelegt wird, desto besser. Es ist nur so …« Die Worte weigerten sich auf einmal, seinen Mund zu verlassen. Warum hatte er sich nur so schlecht auf das Treffen mit de Willms vorbereitet? Plötzlich erschien es ihm unmöglich, die falsche Melissa de Willms zu entlarven, ohne auch Wendel ans Messer zu liefern. Erhard fuhr sich nervös durchs Haar. Wie würde er selbst reagieren, wenn ihm ein Wildfremder eine solche Geschichte auftischte? Er würde sofort die Büttel rufen, den Überbringer der Nachricht festsetzen lassen und ihn – wenn überhaupt – erst im Austausch gegen das feine Mörderpaar wieder freilassen. In Rottweil besaß Augsburg keine Gerichtsbarkeit, und Verhandlungen zwischen Reichsstädten waren gerade in solchen Angelegenheiten oft zäh und langwierig. Auf legalem Weg konnte de Willms den Mörder seines Sohnes also nicht so leicht dingfest machen. Er unterdrückte ein Seufzen. Er war schon zu weit vorgeprescht, um jetzt noch einen Rückzieher zu machen. Die Sache musste geklärt werden. »Verehrter Herrmann de Willms …«, begann er zögernd.
    Die Blicke seines Gegenübers stachen ihm ins Fleisch.
    »… ich vertraue auf Eure Ehrbarkeit.«
    De Willms beugte sich vor. Einen Moment lang schien es, als wollte er sich auf Erhard stürzen, doch dann griff er nach seinem Stuhl, stellte ihn wieder auf und ließ sich nieder. »Sprecht, Meister Füger. Ich bin ganz Ohr.«
    »Es handelt sich nicht um einen einzelnen Mörder, sondern um ein mordendes Geschwisterpaar. Ein Bruder und eine Schwester. Und die Schwester, die verfluchte Hexe, ist mit meinem Sohn verheiratet, der nichts von ihrer Verruchtheit ahnt. Sie hat ihn in ihr Netz gelockt wie eine Spinne, jetzt zappelt er hilflos darin. Er ist ein aufrechter, guter Mann, das müsst Ihr mir glauben.«
    »Eine Metze hat meinen Sohn ermordet? Eine Metze, die noch dazu auch Eure Schwiegertochter ist?« De Willms Faust krachte auf die Tischplatte, die Pokale klirrten, Wein, rot wie Blut, schwappte auf das dunkle Holz. Wieder sprang er auf, seine Augen funkelten angriffslustig.
    Erhard war ebenso schnell auf den Beinen wie sein Gastgeber und legte die Hand an sein Messer.
    Schweigend starrten die Männer sich an.
    De Willms löste sich als Erster aus der Erstarrung. Er schüttelte den Kopf, ließ sich auf seinem Stuhl nieder und schenkte Wein nach. »Ich bin davon überzeugt, Meister Füger, dass Ihr nicht die überaus beschwerliche und gefährliche Reise von Reutlingen hierher angetreten habt, um üble Späße mit mir zu treiben. Ich glaube Euch, und sehe Euer Problem. Nehmt wieder Platz. Wir werden eine Lösung finden, die für uns beide von Nutzen ist.«
    Erhard zögerte.
    »Bitte, Meister Füger. Ich gebe Euch mein Ehrenwort.«
    Langsam löste Erhard die Hand von seinem Messer und nahm Platz. Verflucht, das war knapp gewesen! Schon mehrfach hatte ihn sein Temperament in Schwierigkeiten gebracht. Warum war er nur immer so aufbrausend? Er seufzte. Geh bedächtig vor, ermahnte er sich, und wähle deine Worte sorgsam.
    »Meister Füger, erklärt mir, warum Ihr glaubt, dass die Gattin Eures Sohnes die Mörderin meines Sohnes ist.«
    »Dieses Weib tauchte kurz nach dem Verschwinden des Schreibers bei uns auf und behauptete, seine Zwillingsschwester zu sein. Und in der Tat gleicht sie ihm aufs Haar.«
    »Und Ihr glaubt, dieses feine Zwillingspärchen hat meinen Sohn ermordet?«
    »So ist es. Der falsche Merten de Willms hat sich das Vertrauen meines Sohnes erschlichen, vermutlich um uns auszukundschaften. Was er gesehen hat, hat ihm offenbar gefallen, und ich gehe davon aus, dass er Wendel überredet hat, seine Verlobung zu lösen. Mein Sohn hatte

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