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Die Tränen der Henkerin

Die Tränen der Henkerin

Titel: Die Tränen der Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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seinem Holzschwert. Wer glaubte, ein Holzschwert sei harmlos, irrte sich. Es war zwar nicht scharf, aber ein Hieb an den Hals oder an die Schläfe konnte dennoch tödlich sein. Und Knochen brechen konnte man damit ohne Probleme.
    »Los! Ihr greift an – von zwei Seiten gleichzeitig und mit langsamen Bewegungen!«, befahl er den Knechten.
    Schnell rann ihm der Schweiß aus allen Poren. Die Knechte machten ihre Sache gut, er musste sich konzentrieren, um sie abzuwehren, dabei aber nicht ernsthaft zu verletzen. Sie durften auch ihm Hiebe versetzen, wenn es ihnen gelang, und zwei Hiebe hatte er bereits einstecken müssen, als seine Gedanken zu Erhard Füger abgeschweift waren. Der Herr hatte in den letzten Monaten gute Geschäfte gemacht, aber auch der lukrativste Abschluss hatte ihm nicht annähernd ein solches Strahlen ins Gesicht gezaubert. Ein solch triumphierendes Strahlen. Ja, das war es gewesen, das Strahlen eines Siegers. Konnte es sein, dass seine gute Laune etwas mit Wendel zu tun hatte? Mit Melissa?
    Antonius senkte das Schwert, um den Knechten zu signalisieren, dass sie ihre Angriffe einstellen sollten. »Trinkt und esst«, sagte er. »Ihr macht eure Sache gut. Zur Belohnung zeige ich euch nachher, wie man einen echten Zwerg ausführt.«
    Die Knechte bedankten sich und machten sich über den verdünnten Wein, die Würste und das Brot her. Antonius selbst aß nichts, trank nur einen Schluck Wein. Er setzte sich auf einen Stein und sah den anderen Männern zu. Reutlingen verfügte über viele gute Kämpfer, die gedungenen Söldnern gegenüber einen großen Vorteil hatten: Wenn sie kämpften, taten sie dies nicht für fremde Herren, sondern um ihre eigene Familie, ihr eigenes Hab und Gut zu verteidigen.
    Antonius leerte den Schlauch, stand auf und nahm seinen Morgenstern auf. Er ließ ihn ein paarmal über dem Kopf kreisen. Der Morgenstern war eine furchtbare Waffe, gegen die auch eine Metallrüstung nicht schützte. Die langen Eisendorne durchschlugen, richtig geführt, jeden Helm. Allerdings musste man dafür recht nah an den Gegner herankommen.
    Pferdegetrappel riss ihn aus seinen Gedanken.
    Ein Reiter näherte sich. »Antonius!«
    Er drehte sich um. »Ja, Herr?«
    »Steig auf, wir machen einen kleinen Ausritt.«
    »Sehr wohl, Herr.« Antonius wandte sich zu den Knechten. »Ihr übt in der Zwischenzeit, und sollte ich bei Anbruch der Dämmerung nicht zurück sein, kehrt ihr allein heim.« Er schwang sich auf sein Pferd und folgte seinem Herrn.
    Wortlos ritten sie auf der Straße in Richtung Eningen, bis sie nach einiger Zeit auf einen schmaleren Pfad abbogen, der zu den Weinbergen im Süden von Reutlingen führte. Auf der Straße war allerhand Volk unterwegs gewesen, doch auf dem Pfad waren sie allein. Einmal meinte Antonius Hufschläge hinter sich zu hören, doch als er sich umwandte, war der Pfad leer.
    Auf einer Lichtung, die von dichtem Gestrüpp umgeben war, hielt Erhard Füger sein Pferd an, sprang ab und ließ sich auf einem umgestürzten Baumstamm nieder. »Antonius, wem dienst du?«
    »Euch, Herr.« Antonius stieg ebenfalls vom Pferd und setzte sich neben seinen Herrn.
    »Und wenn ich nicht da bin?«
    Antonius wurde es heiß. »Der Herrin.«
    »Gut.« Erhard Füger sah ihn prüfend an. »Was denkst du über Wendel?«
    »Wie meint Ihr das?«
    Erhard Füger zögerte, als müsse er seine Worte klug wählen. »Hältst du es für richtig, dass mein Sohn in Rottweil lebt?«
    »Ich vermisse ihn.«
    »Du hast meine Frage nicht beantwortet.«
    Die Stimme seines Herrn klang weich und warm und freundlich, nichts Befehlendes oder Anklagendes lag darin. Antonius witterte dennoch die Gefahr, die in seinen Worten lag. Er musste auf der Hut sein. »Ich entscheide nicht über Recht oder Unrecht«, sagte er vorsichtig, »aber ich wäre froh, wenn Wendel wieder hier wäre, wo er hingehört.«
    Erhard Füger lächelte und legte Antonius eine Hand auf die Schulter. »So ist es recht. Das sehe ich genauso. Und du kannst mir helfen, ihn zurückzuholen.«
    Antonius atmete auf. Endlich kam der Herr zur Sache. Seine gute Laune rührte also daher, dass er beschlossen hatte, seinem Sohn nicht länger zu grollen, sondern ihn zur Rückkehr nach Reutlingen zu bewegen. Und er hatte offenbar bereits einen Plan. Wollte er Melissa endlich als seine Schwiegertochter anerkennen? Oder hatte er vor, einen Keil zwischen Wendel und seine Gemahlin zu treiben? Antonius sah seinen Herrn an. Auch er war bereit, alles dafür zu tun, dass Wendel

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