Die Tränen der Justitia (German Edition)
eine Methode, um schnell reich zu werden.»
«Der will nur so rasch als möglich von seinem Schuldenberg hinunter. Das ist legitim. Wenn du einige Jahre kleine Brötchen backst, möchtest du irgendwann auch wieder ein grosses essen.»
«Das klingt geradezu philosophisch. Mir geht dieser Heller nicht aus dem Kopf. Was weiss er über Borer und woher? Wir sollten im Gefängnis nachfragen. Vielleicht erfahren wir so, mit wem er Kontakt hatte. Was hältst du von der Geschichte mit den zehntausend Franken?»
«Ich wette jeden Betrag, dass sie stimmt. Heller macht keinen Hehl daraus, dass er Borer hasst. Der Sektenheini wusste das und dachte wohl, er könne ihn mit ins Boot holen. Aber das ging schief.»
«Die beiden passen auch nicht zusammen, sie leben in ganz verschiedenen Welten. Was findet diese Frau nur an Heller? Frauen sind und bleiben ein Rätsel.»
«Ganz einfach, sie glaubt an ihn. Der wird ihr weiss was erzählt haben, so im Stil von Justizirrtum oder Komplott.»
«Irgendwann hat er sie satt. Und dann?»
«Höchst wahrscheinlich erleidet sie einen tödlichen Unfall. Sie fällt in den Rhein oder bricht sich beim Skifahren das Genick. Einen dritten Giftmord riskiert Heller nicht.»
«Das sind ja tolle Aussichten.»
«Da kannst du nichts machen. Die dumme Kuh setzt sich selbst der Gefahr aus. Wenn du hingehst und mit ihr redest, erreichst du genau das Gegenteil.»
Kommissär Ferrari kritzelte einige Bemerkungen auf seinen Block. Im Gefängnis wegen Heller anrufen. Was hat Borer zu verbergen? Kaltenbach aufsuchen und direkt auf die Entführung ansprechen. Kumpels von Kaltenbach auftreiben. Weshalb streitet sich Lukas Doppler mit seinem Freund und Kundenberater Wiedmer? Ferrari legte den Kugelschreiber zur Seite. Alles gut und recht. Nur, bringt uns das wirklich weiter? Jetzt ist die Entführung von Lena beinahe eine Woche her und noch immer haben sich die Entführer nicht gemeldet. Dass ein Tag vergeht, bevor ein Erpresser von sich hören lässt, ist normal, aber so lange? Lebt die Kleine überhaupt noch?
Ferrari griff zum Hörer und versuchte als Erstes, den Gefängnisdirektor zu erreichen. Dieser versprach, sofort nach Akteneinsicht zurückzurufen, was er nach einer Stunde auch tat. Er war voll des Lobes für Heller: zuvorkommend, hochintelligent und vor allem ein genialer Schachspieler, nur sein Literaturgeschmack liesse zu wünschen übrig. Für einige Insassen sei er so etwas wie die letzte Rettung gewesen. In einem Fall habe er jahrelang die Familie eines Mörders finanziell unterstützt und diesem nach der Entlassung einen Job besorgt. Von einem weiteren Insassen wisse er, dass Heller ihm nach Verbüssung der Haftstrafe mit Geld geholfen habe. Ferrari notierte sich die Namen der beiden Häftlinge. Der Gefängnisdirektor lud den berühmten Kommissär, wie er sagte, zu einer Besichtigung seines Gefängnisses ein. Ferrari bedankte sich und wand sich wie ein Aal. Eine Gefängnisbesichtigung! Das muss nun wirklich nicht sein. Nachdem ihn der Direktor noch fragte, ob er Schach spiele, beendete er das Gespräch unter dem Vorwand, am anderen Apparat verlangt zu werden.
«Und? Neuigkeiten?»
«Eine Einladung zur Gefängnisbesichtigung mit anschliessender Schachpartie.»
«Ein bisschen mehr Begeisterung, Francesco. Das ist doch was.»
«Ich bin die Quasseltante beinahe nicht mehr losgeworden. Immerhin hat sich der Anruf gelohnt. Heller ist ein Wohltäter. Konkret wusste der Direktor von zwei Personen, die Heller viel verdanken: Willi Kurz und Reto Geisser. Beide sind wieder draussen, irgendwo auf der Gasse.»
«Das ist das Revier von Big Georg. Der findet schnell heraus, wo die beiden sich aufhalten. Ich gebe ihm den Zettel mit den Namen.»
«Wo warst du eigentlich?»
«Ich?»
«Ja, du oder siehst du noch jemanden hier?»
«Auf einen Sprung beim Staatsanwalt … nicht bei Borer, bei Kern.»
«Wegen unserem Fall oder wegen der Klage?»
«Was diesen Superpsychiater Meier betrifft, da ist Kern meiner Meinung. Der kann seine Klage sonst wohin stecken. Nein, ich war wegen Viviane bei ihm. Ich wollte wissen, wie wir vorgehen müssen, damit Häring nicht mehr an sie herankommt.»
«Wir?»
«Hörst du schlecht? Ja, wir. Das sind Monika und ich. Viviane bat uns um Hilfe. Sie wohnt zurzeit bei mir. Sie will weg von diesem Arschloch, aber auf anständige Weise.»
«Da gehören immer zwei dazu.»
«Du glaubst also nicht, dass die Scheidung ohne Schmerzen durchgeht?»
«Röbi ist ein Spinner, ein
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