Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
Bibel … Cornelis, ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber jedes Land hat andere Götter. Ich weiß nicht, wie das zusammenhängt, ich bin kein Theologe. Es ist jedenfalls kein Grund dafür, andere Leute zu versklaven …«
»Aber das haben wir nicht getan!«, beharrte Cornelis. »Sie kamen freiwillig, es sind auch jetzt noch Kaffern bei den Kommandos. Alle Fährtensucher sind Kaffern oder Hottentotten, aber von denen gibt’s nicht mehr viele …«
Kevin verzog vielsagend den Mund. »Sie haben sich zweifellos freiwillig ausgerottet«, höhnte er. »Und was war mit den Voortrekkern, von denen Ihre Tante so anschaulich erzählt? Die dreitausend Zulu an einem Tag erledigt haben? Um sich dann ihr Land zu nehmen und sie großzügig auch darauf wohnen zu lassen, wenn sie für die Weißen arbeiteten?«
Kevin empörte sich, aber das Wort sollte ihm bald im Halse stecken bleiben. Die Zustände im Lager der Schwarzen in Karenstad bewiesen zumindest nicht, dass es die Engländer besser mit der schwarzen Bevölkerung meinten als die Buren. Im Gegenteil, die Gefangenen hausten unter Bedingungen, gegen die das Frauenlager fast luxuriös wirkte.
»Was sind denn das für Bruchbuden?«, fragte Kevin den Wachmann, der eher pro forma vor dem Tor stand. Es war den Schwarzen nicht verboten, ihr Lager zu verlassen, viele Männer arbeiteten draußen, und wer Geld hatte, konnte auch jederzeit zum Einkaufen in die Stadt gehen. »Wurden hier keine Zelte geliefert?«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Nein, Sir. Die Leute sollen sich selbst was bauen. Und einige machen das ja auch.«
Tatsächlich standen ein paar recht ansehnliche Rundhütten im traditionellen Baustil der Krals im Lager, aber daneben gab es Behelfsunterkünfte aus Paraffinkanistern. Viele Frauen undKinder schliefen auch einfach unter freiem Himmel auf dem schlammigen Boden oder hatten sich lediglich winzige zeltartige Unterstände aus Decken gebaut.
»Nicht Mann, nicht Holz …«, erklärte eine der Betroffenen ihre Notlage in gebrochenem Afrikaans.
Kevin verstand. »Das heißt, es werden keine Materialien zum Hausbau geliefert«, wandte er sich streng an den Wachmann.
Der zuckte die Achseln. »Die Leute können ja arbeiten. Sie sollen sich die Materialien für die Häuser verdienen und dann bauen.«
»Und wie sollen die Männer gleichzeitig auswärts arbeiten und hier Häuser bauen?«, fragte Kevin. »Hier muss sich etwas ändern, und das schnell! Cornelis, wir brauchen einen Übersetzer. Was ist mit dem Hauspersonal der VanStouts? Nandé und ihr Bruder sprachen doch gut Afrikaans und sogar ein paar Worte Englisch. Kann man irgendwie herausfinden, ob die hier im Lager sind?«
Viel Hoffnung machte er sich da nicht, schon im weißen Lager wurden die Gefangenen ja kaum registriert. Hier herrschte noch ein viel größeres Chaos. Kevin machte sich also selbst auf die Suche, gefolgt von dem unwilligen und angeekelten Cornelis. Das schwarze Lager wurde in Sachen Hygiene nicht einmal Mindestanforderungen gerecht. Es gab keine Latrinen, der Insektenbefall war unerträglich, das ohnehin primitive Hospital diente als Notunterkunft für Frauen und Kinder ohne Versorger. Es war völlig überfüllt, ein Großteil der Leute krank – die Unterernährung machte die Frauen lethargisch. Viele versorgten ihre Babys nicht mehr, und Kevin entdeckte mehrere Leichen zwischen den Lebenden. Niemand schaffte sie hinaus, geschweige denn gab es Begräbnisgottesdienste. Wenn sich ein oder mehrere Familienmitglieder aufraffen konnten, verscharrten sie die Toten selbst – sonst halfenschon mal die Wachmannschaften, um dem unerträglichen Gestank vorzubeugen.
Als Kevin fast schon aufgeben wollte, fand er Nandé. Die junge Frau lag apathisch in einer aus Paraffinkanistern zusammengestückelten Hütte. Zwei junge Männer bewachten sie offenbar, ließen die Vertreter der Lagerleitung aber ein. Argwöhnisch verfolgten sie, wie Kevin sich ihr näherte.
»Miss Nandé«, Kevin beugte sich fassungslos zu ihr hinab, erinnerte sich aber noch daran, wie sich die junge Frau über die höfliche Anrede gefreut hatte – auch jetzt flog fast etwas wie ein Lächeln über Nandés ausgemergeltes Gesicht.
»Mijnheer Doktor! Sie zurück? Was mit Baas Bentje? Und Doortje? Und Kinder?«
Kevin biss sich auf die Lippen. Ob Nandé wusste, was Doortje und Johanna zugestoßen war? Er hielt das für unwahrscheinlich, sicher hatte man die Schwarzen und Weißen nicht gemeinsam hertransportiert.
»Miss Johanna
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