Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
mit der Frau, die man liebte, in einer primitiven Hütte zu hausen. Einen Herzschlag lang verlor er sich in dem Gedanken, mit Roberta ein Heim weitdraußen auf dem Land aufzubauen, aber dann schalt er sich kindisch. Roberta war ein Stadtkind, womöglich war ihr schon Addington zu provinziell … Ob sie sich ihm gegenüber deshalb wieder kühler gab? Aber nein, das glaubte er nicht. Robertas Rückzug hatte mit Juliet zu tun. Und – so ungern er sich das eingestand – mit Kevin.
»Aber so … In der Einöde muss ihr die Decke doch auf den Kopf fallen!«, klagte Kevin. »Mir geht es jedenfalls so, wenn ich aus der Praxis komme. Doortje stellt das Essen auf den Tisch, ich versuche, ein Gespräch anzufangen, sie erzählt ein bisschen von ihrem Tag – aber das war es dann schon. Es gibt nichts wirklich Interessantes zu berichten.«
»Und Nandé?«, fragte Vincent.
»Schläft im Geräteschuppen. Was mir auch nicht gefällt, Doortje hält das Mädchen wie einen Hund! Aber um Himmels willen, ich kann die Hütte nicht auch noch mit Nandé teilen! Das ist alles eine verfahrene Geschichte. Ich wünschte, ich könnte zurück nach Dunedin.«
Kevin orderte einen weiteren Whiskey. Er schien entschlossen, sich zu betrinken. Vincent nahm auch einen Schluck.
»Du solltest einfach wieder hinziehen«, riet er dann, allerdings mit einem etwas unguten Gefühl. Wenn seine Ahnung ihn nicht trog, und sein Freund war wirklich der geheimnisvolle Mann in Robertas Leben, dann hatte er kein Interesse daran, ihn in ihrer Nähe zu wissen. Aber er konnte auch nicht mitansehen, wie sein Freund sich kaputtmachte. »Ohne Rücksicht auf Doortjes Neigungen. ›Wo du hingehst, da will auch ich hingehen‹ steht schon im Alten Testament, sie wird sich deinen Wünschen fügen müssen. Und du tust ihr keinen Gefallen, indem du ihr erlaubst, in Otago ein Kleinafrika aufzubauen. Wobei wir noch gar nicht von dem Kind reden, das kannst du nicht mit der Niederländischen Bibel und den guten alten Voortrekker-Legenden aufwachsen lassen! Nimm Doortje mitnach Dunedin und zwing sie, sich anzupassen. Sie schafft das, sie ist doch intelligent, und ich wette … ich wette, Roberta würde ihr helfen.« Er schluckte. »Da wir übrigens gerade von Roberta Fence reden«, fuhr er in gespielt leichtem Tonfall fort – tatsächlich brachte er die Frage kaum heraus, aber es nützte ja nichts, er musste es wissen, »hast du … hast du dich jemals zu ihr … hingezogen gefühlt?«
Kevin sah auf, bisher hatte er gedankenverloren abwechselnd in sein Bier- und in sein Whiskeyglas gestarrt. »Robbie? Deine Roberta? Wie meinst du das, zu ihr … ach komm, jetzt sag nicht, dass sie immer noch für mich schwärmt! Das hat sie mal getan, als sie klein war, aber jetzt … Sie ist doch erwachsen, ich dachte, sie sei drauf und dran, sich mit dir zu verloben.«
»Du findest sie also nicht … anziehend?«, fragte Vincent ernst.
Kevin lachte. »Nein, Vincent, wirklich nicht. Sie ist hübsch, natürlich. Aber für mich ist sie … meine junge Nichte und Robbie sind zusammen aufgewachsen. Meine Güte, vor ein paar Jahren habe ich der Maus noch ein Stoffpferdchen geschenkt! Roberta Fence ist für mich so was wie Atamaries Schwester. Als solche mag ich sie gern. Aber sonst ist da nichts.«
Vincent Taylor wurde etwas leichter ums Herz. Egal, was Roberta noch für ihn zu empfinden meinte. Für seinen Freund war sie keine Versuchung. Vincent würde es nur mit ein paar Träumen und einem Stoffpferdchen aufnehmen müssen … Schwierig genug, aber nichts gegen die Rivalität mit einem attraktiven Mann aus Fleisch und Blut.
Doortjes burische Ordnung in ihrem persönlichen Kleinafrika geriet in diesen Tagen ganz unabhängig von Kevins und Vincents Überlegungen aus den Fugen. Dabei hatte Patrick Drury eigentlich nur den Wunsch, die Beziehungen zu seiner neuen Schwägerin zu verbessern, als er im Rahmen eines Inspektionsrittes über die Schafweiden im alten Goldgräberhaus vorbeischaute. Natürlich war Patrick nicht entgangen, dass Doortje und Juliet nichts miteinander anzufangen wussten – wobei ihm schon schwante, warum Juliet die Burin ablehnte. Umgekehrt konnte er die Antipathie jedoch nicht nachvollziehen. Patrick wusste nichts über Südafrika, und Rassismus war ihm fremd. Insofern begriff er nicht, warum Doortje ihren offensichtlichen Abscheu gegenüber Juliet auf ihn übertrug. Gut, die Frauen mochten einander nicht, aber Doortje schien Patrick seine Ehe mit Juliet
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