Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
Haus, aber sie werden trotzdem nicht abstürzen.«
»Aber bekommen die Götter da nicht Angst?«, fragte die kleine Wai.
Atamarie zuckte die Achseln. »Nicht, wenn wir die richtigen karakia singen. Also los, Kinder! Wie geht der turu manu ?«
»Taku manu, ke turua atu nei
He Karipiripi, ke kaeaea …«, intonierten die Kinder.
Flieg fort von mir, mein Vogel,
tanze rastlos in der Höhe,
schieße herab wie der Habicht auf seine Beute,
flieg immer höher, herrlicher Vogel,
erobere die Wolken und die Wellen!
Eine der Sängerinnen aus der haka -Gruppe, die mit nach Dunedin reisen sollte, nahm das Lied auf, und zum ersten Mal hatte Atamarie wirklich das Gefühl, als trüge auch die Melodie ihre manu in die Höhe. Sie schalt sich ein bisschen dieser dummen Gedanken – die Windstärke war perfekt an diesem Tag, ob da jemand sang oder nicht.
Aber so ganz konnte sie die Überlegung dann doch nicht ausschalten: Hätten die Götter Richard vielleicht weniger Hecken in den Weg gestellt, hätte er ihnen ein paar Träume geschickt?
KAPITEL 2
»Das hat richtig Spaß gemacht mit den Kindern!«, erklärte Atamarie vergnügt, als sie schließlich gemeinsam mit ihrer Mutter und den Maori-Künstlern aus Parihaka im Zug nach Wellington saß. Die Kunstwerke und Instrumente wurden von einer Spedition auf die Südinsel gebracht, die Heather und Chloé wärmstens empfohlen hatten. »Zuerst wollten sie nur spielen und Spaß haben, aber dann haben sie richtig was über physikalische Gesetze gelernt.«
»Und über tikanga. « Matariki lächelte. »Wobei du es jetzt ja wohl begriffen hast, mit nga wa o mua – die Vergangenheit ist die Zukunft. Die Gesänge unserer Vorfahren verbinden sich mit deiner Lehre von den Aufwinden. Es muss kein Gegensatz sein …«
Atamarie verdrehte die Augen. »Können wir auch mal über was anderes reden als den Geist von Parihaka?«, fragte sie.
Matariki zuckte die Schultern. »Besser über den Geist von Parihaka als den Geist von Richard Pearse.«
Atamarie hielt sich an die Vorgabe ihrer Mutter, ihren früheren Freund nicht mehr zu erwähnen, aber es kam sie doch hart an, zwei Tage später den Bahnhof von Timaru zu passieren, ohne auszusteigen.
»Ich würde einfach gern wissen, wie es mit ihm weitergegangen ist«, rechtfertigte sie sich vor ihrer Mutter, die sich dazu nur an den Kopf fasste. »Der nächste Zug geht doch schon in ein paar Stunden, mit dem könnte ich nachkommen. Undich müsste nicht nach Temuka. Wirklich nicht, Mommy, ich möchte gar nicht …« Matariki zog die Stirn kraus. »Ich könnte im Laden fragen, ganz zwanglos, als ob ich nur so vorbeikäme. Die Frau da weiß alles über die Pearses.«
Atamarie machte einen halbherzigen Versuch, ihren Koffer von der Ablage über den Sitzen im Abteil zu holen. Matariki schüttelte jedoch den Kopf.
»Was willst du nun wissen, Atamie? Ob Richard Shirley schon geheiratet hat? Oder ob er nun doch noch geflogen ist? Letzteres hätten wir gehört. Es wäre vielleicht kein Thema für internationale Zeitungen, aber in Wellington und Auckland hätten sie berichtet, immerhin wäre es noch der erste Motorflug in Neuseeland gewesen. Was auch immer du hier erfahren könntest, täte dir nur weh, Atamie. Vergiss ihn!«
Atamarie ließ sich unschlüssig wieder auf den Sitz sinken. »Und was ist mit der Vergangenheit, die die Zukunft bestimmt?«, fragte sie listig.
Matariki schlug ihr mit der Illustrierten auf den Kopf, in der sie eben noch gelesen hatte. »Richard Pearse ist nicht das Kanu, mit dem deine Vorfahren nach Aotearoa gekommen sind«, sagte sie, »er ist nur deine erste Liebe. Und da er auch keine Anstalten gemacht hat, dich zu rauben und zu neuen Ufern aufzubrechen wie Kupe einst mit Kura-maro-tini, wird er wohl auch kaum in die Geschichte deines Volkes eingehen. Schließ endlich ab mit dem Kapitel Richard, Atamie, ich kann’s nicht mehr hören. Freu dich lieber auf Roberta. Die hat es doch wohl auch geschafft, nicht mehr an Kevin Drury zu denken. Violet schreibt, sie sei so gut wie verlobt mit einem sehr netten Tierarzt.«
Atamarie verzog das Gesicht. »›So gut wie‹ zählt nicht, Mommy. ›So gut wie‹ hatte ich auch schon mal …«
Heather und Chloé brachten die Maori-Künstlerinnen und Tänzerinnen in einem Hotel unter, aber Kevin Drury bestanddarauf, dass Matariki und Atamarie bei ihm und Doortje wohnten. Matariki war ein paar Jahre älter als Kevin und Patrick, aber die Geschwister hatten sich trotzdem immer recht
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