Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
von der Entscheidung ihres Sohnes, aber das beunruhigte sie nicht. Es war nicht ungewöhnlich, dass sie drei Wochen lang nichts von ihm hörten.
»Und er muss das ja auch erst mal verdauen«, meinte Michael zu seiner Frau, als die zweite Woche ohne ein Lebenszeichen verging.
»Vor allem muss er Miss Juliet klarmachen, dass mit der Geburt eines Kindes kein Stadthaus in der City von Dunedin verbunden ist«, meinte Lizzie hart. »Das wird ihm nicht leichtfallen. Das Mädchen hat ihn doch völlig unter der Knute. Hoffentlich schafft er es überhaupt und stellt nicht noch was an …«
Auch Patrick bekam vom Verschwinden seines Bruders vorerst nichts mit. Er reiste mal wieder in den Bergen von Otago herum und inspizierte die Schafe, die am Ende des Sommers vom Hochland auf die Farmen geholt worden waren. Patrick beriet die Züchter, empfahl An- und Verkäufe und schlichtete mitunter zwischen Möchtegernschafbaronen und selbstbewussten Maori-Viehhütern. Kevin würde längst auf See sein, wenn er zurückkehrte.
Letztlich waren es vor allem Juliet und Roberta, die sich Sorgen um Michaels Verbleib machten. Roberta berichtete Atamarie aufgeregt brieflich von seinem Verschwinden. Sie wagte nicht, Christian nach dem Verbleiben seines Kompagnons zu fragen, und Patrick war ja fort.
Ich werde verrückt, wenn ich mir vorstelle, was ihm passiert sein kann , klagte Roberta in ihrem Brief. Atamarie fasste sich nur an die Stirn. Sie zumindest konnte sich absolut nicht vorstellen, was ihrem Onkel auf der Südinsel Neuseelands Furchtbares widerfahren könnte. Zumal nichts, das ein spurloses Verschwinden erklärte. Natürlich hätte er bei einem Unfall verletzt werden oder ums Leben kommen können, aber das hätte man doch in Dunedin gehört. Immerhin ist er nicht mit Miss LaBree unterwegs , schrieb Roberta weiter. Die habe ich neulich gesehen, aber sie sah schlecht aus.
Atamarie erkannte genau hier des Rätsels Lösung. Kevinhatte Juliet offensichtlich verlassen, fragte sich nur, weshalb er dazu untertauchen musste. Atamarie machte sich jedenfalls keine Sorgen. Kevin, so beschied sie Roberta, würde schon wieder auftauchen. Und wenn Roberta Glück hatte, würde Juliet bis dahin verschwinden.
Juliet tobte vor Wut über Kevins Abgang, machte sich allerdings auch keine übertriebenen Sorgen. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihr Freund seine Wohnung und seine Praxis verließ, um irgendwo gänzlich neu anzufangen. Schließlich hatte er weder seine Sachen mitgenommen noch sein Konto aufgelöst, die Bank gab Juliet nach wie vor auf seinen Namen Kredit. Wahrscheinlich brauchte er einfach ein bisschen Zeit, um mit der neuen Situation klarzukommen. Juliet hoffte bloß, dass es sich nicht zu lange hinzog. Schließlich wollte sie nicht mit dickem Bauch vor den Priester treten.
Als Kevins Brief schließlich eintraf, fiel die junge Frau dann aus allen Wolken. Blind vor Wut warf sie ein paar Sachen in einen Koffer und dachte über eine Mietdroschke nach. Aber das würde zu teuer, sie konnte sich unmöglich bis nach Lawrence kutschieren lassen.
Juliet überlegte kurz und machte sich dann auf den Weg zu dem kleinen Haus in Caversham, in dem sich Patrick eingemietet hatte. Es lag etwas ländlich und verfügte vor allem über geräumige Pferdeställe. Patrick besaß insgesamt drei Pferde – kein so rassiges wie Kevin, aber zwei zuverlässige genügsame Reitpferde, die ihn auf seinen langen Ritten sicher trugen, und ein Nachwuchspferd. Letzteres stand zurzeit im Stall, mit den anderen war Patrick unterwegs.
Juliet hatte Glück und traf den Jungen, der die Pferde während Patricks Abwesenheit pflegte, an. Ein rothaariger kleiner Ire, bestimmt verstand er sich auch aufs Kutschieren. Und natürlich war er Juliet sogleich verfallen.
Dennoch war er skeptisch, als sie ihr Anliegen vortrug. »Ja, ich weiß, dass Sie eine Bekannte von Mr. Patrick sind. Die … äh …«
»… Verlobte von seinem Bruder«, vervollständigte Juliet in bestimmtem Ton. »Aber Mr. Drury ist zurzeit abwesend, und ich muss dringend mit seinen Eltern sprechen. Ich würde Patrick bitten, mich zu fahren, aber der ist ja nun auch unterwegs. Also bitte, tu mir den Gefallen und spann dieses Pferd an. Ich … na ja, die Drurys werden dich auch bezahlen.«
Der Junge biss sich auf die Lippen. »Aber das Pferd ist noch ganz jung. Und die Reise ist ziemlich weit. Ich muss meiner Mutter Bescheid sagen. Und ich weiß auch nicht, ob es Mr. Patrick recht ist …«
»Mr.
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