Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
ihr Strebertum geredet werden. Und das, obwohl nichts ihr ferner lag, als sich bei dem Professor einzuschmeicheln. Atamarie ging es allein um seinen Assistenten, der sie gleich in den siebten Himmel katapultierte, indem er ihr freundlich zulächelte und für sie zur Seite rutschte.
»Ich habe Sie gestern Abend vermisst, Miss Turei«, meinte er. »Ich dachte, Sie gingen mit uns essen.«
Atamarie verzog das Gesicht und schilderte Familie van Bommel und ihr Interesse an der Kultur der »Eingeborenen«. »Wenn überhaupt, dann hätte ich Petronella mitbringen müssen«, sagte sie. »Aber das hätten ihre Eltern sicher auch nicht erlaubt. Zwei junge Frauen und zwölf Männer ist ja keine viel bessere Relation als eine Frau und zwölf Männer.«
Richard überlegte. Anscheinend fiel ihm jetzt erst auf, dass es für eine Frau eher ungewöhnlich war, mit einem ganzen Kurs männlicher Studenten unterwegs zu sein.
»Und Ihre Eltern denken sich nichts dabei?«, fragte er verwundert. »Also … äh … nicht, dass Sie hier gefährdet wären …«
Atamarie winkte ab und erzählte von Matariki und Parihaka. »Unter Maori ist das Prinzip der Anstandsdame eher unbekannt«, lachte sie. »Und meine Mutter ist zwar auch pakeha -erzogen, aber sie vertraut mir. Im Übrigen bin ich auf der Universität jeden Tag mit lauter Männern zusammen. Undda wäre es viel einfacher, sich heimlich mit einem von ihnen zu treffen als hier, wo wir alle dauernd zusammenstecken.«
Das stimmte natürlich, hätte allerdings keine besorgte pakeha -Mutter der Sorte van Bommel wirklich beruhigt. Richard nahm es allerdings ohne weitere Bemerkungen hin – aber nun ergriff auch der Professor das Wort. Dobbins pries die Bahnlinie der Nordinsel als Wunder der Ingenieurskunst. Sie führte zunächst am Rand des Rangitikei Rivers entlang, und der Professor wurde nicht müde, die Studenten auf diverse Probleme des Schienenbaus in der teils sehr zerklüfteten Berglandschaft hinzuweisen.
Dobbins erklärte den Unterschied zwischen Oberbau und Unterbau beim Verlegen der Gleise und die Feinheiten des Brückenbaus speziell hier in den Bergen. Wofür der Großteil der Studenten aber zu seinem Leidwesen wenig Interesse aufbrachte. Eher kämpften sie mal wieder mit der Übelkeit. Wenn die Strecke über extrem schmale Brücken führte, die gerade Platz für die Schienen boten, konnte einem schon mulmig werden. Nur Richard Pearse und Atamarie diskutierten angeregt die Vor- und Nachteile der Hängebrücke zur Überwindung großer Stützweiten und besprachen mit heiligem Ernst die Konstruktion von Bogen- und Fachwerkbrücken.
Beide waren traurig, als die Bahnlinie in Palmerston endete. Die restliche Strecke würden die Expeditionsteilnehmer reiten müssen. Richard schaute eher unglücklich auf sein Leihpferd.
»Wie lange werden wir wohl unterwegs sein?« Trotz seines offensichtlichen Unwillens schwang er sich geschickt in den Sattel.
»Ungefähr drei Tage«, erklärte Atamarie, der die Strecke natürlich nicht fremd war. »Also, wenn wir schnell sind. Aber wenn Sie mich fragen …«, sie ließ den Blick über die Menge der anderen Studenten schweifen, die sich den Tieren teilweisemit so viel Respekt näherten, dass man fast von Angst sprechen konnte, »… wird es sich länger hinziehen.«
Tatsächlich erwiesen sich einige Studenten als höchst unsichere Reiter, und der Wagen, auf dem Dobbins alle möglichen Vermessungsutensilien mitführte, hielt zudem noch auf. Die geliehenen Pferde entsprachen auch nicht unbedingt Atamaries Vorstellungen von flotten Reitpferden, wieder eine Einschätzung, der Richard zustimmte. Er war zwar kein begeisterter, als Farmkind jedoch recht sicherer Reiter. Ein Pferd mit etwas mehr Feuer wäre ihm lieber gewesen.
»Sie kommen von einer Schaffarm?«, fragte Atamarie, als es wieder mal nicht vorwärtsging.
Professor Dobbins hatte den Wagen versehentlich in ein Schlammloch gelenkt. Der Dozent war sicher ein genialer Ingenieur, Landvermesser und auch Konstrukteur – aber mit Ben Hur hatte er nicht viel gemeinsam. Richard lachte nachsichtig, als Atamarie ihm diese Erkenntnis mitteilte.
»Ich kann das auch nicht viel besser«, gab er zu. »Ja, ich komme vom Land, aber ich bin nicht sehr begabt im Umgang mit Tieren. Wir haben mehr Ackerland als Schafe. Mein Vater arbeitet hart, aber Viehzucht liegt ihm nicht. Ich weiß bis heute nicht, warum er überhaupt unbedingt Farmer werden wollte, das ist wohl Tradition in unserer Familie – und
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