Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
ursprünglich Maori-Land, nicht? Und dann hat die Regierung es annektiert, aber es wächst wohl nicht viel. Obwohl … diese Musterfarm von den Maori, wie hieß sie noch … die Leute da haben ganz schön was draus gemacht …«
»Parihaka«, antwortete Atamarie ungezwungen. »Aber Regenwald haben die auch nicht kultiviert. Fruchtbar ist mehr das Land drumrum. Und jetzt haben es hauptsächlich pakeha -Farmer …«
Tatsächlich war Parihaka nicht viel von den vielen hundert Hektar geblieben, die sie damals gebraucht hatten, um das Essen für über zweitausend Einwohner und allwöchentlich Hunderte von Besuchern anzubauen. Die Regierung hatte neue Siedler angeworben und ihnen einfach das Land der Maori verkauft. Jetzt gehörten den Maori-Farmern nur noch Bruchteile ihrer früheren Felder, die sie allerdings nach neuesten Methoden der Landwirtschaft bearbeiteten. Die weißen Nachbarn machte das oft neidisch.
»Die Maori haben ja auch nichts gegen den Nationalpark. Im Gegensatz zu den weißen Siedlern. Die sollen nicht so begeistert sein, es gab wohl Proteste …« Der freundliche Gastgeber der Gruppe entkorkte eine Whiskeyflasche und bot sie Dobbins an. »Richten Sie sich insofern lieber auf ein Zeltlager ein, Professor. Eher unwahrscheinlich, dass Ihnen da jemand Unterschlupf bietet. Wer ist denn überhaupt auf die Idee gekommen, diese Vermessungen ausgerechnet im Herbst vorzunehmen?«
Zwei der Studenten hatten inzwischen ebenfalls Flaschen aus ihrem Gepäck geholt und ließen sie zur allgemeinen Begeisterung kreisen. Atamarie fühlte sich fast an das Beisammensein der jungen Leute in Parihaka erinnert oder an die Feste an den Feuern der Ngai Tahu. Hier allerdings war die Atmosphäre angespannter. Die Studenten aus dem zweiten und dritten Jahr bildeten jeweils eigene Grüppchen und konkurrierten miteinander um die Gunst des Professors. Dobbins seinerseits unterhielt sich aus Gründen der Höflichkeit mit dem Farmer, mit dem er allerdings wenig gemeinsam hatte. So konnte bei ihm wieder Atamarie punkten, die sich blendend mit ihrem Gastgeber verstand. Sie erzählte von Parihaka und der Schafzucht ihres Großvaters, die dem Farmer zu ihrer Überraschung ein Begriff war.
»Michael Drury? Mensch, Mädchen, die Welt ist klein! Ich hab einen Abkömmling von seinem besten Widder!« Wie um die Beinaheverwandtschaft zu bekräftigen, goss er Atamarie auch einen Whiskey ein und war dann kaum davon abzuhalten, die junge Frau hinaus auf die Felder zu schleifen, um ihr das Wundertier zu zeigen. »Dem Landessieger – Heribert. Sie wissen schon …«
Atamarie wusste. Ein Porträt dieses Schafbocks, in Öl verewigt von ihrer Tante Heather, hing im Wohnzimmer der Drurys.
Schließlich kam das Thema auf Wollgewinnung und Schafschur, und der Professor und Richard fanden sich zu theoretischen Exkursen über den möglichen Einsatz von Elektrizität bei der Entwicklung von Schafschermaschinen zusammen. Atamarie fand das zwar auch recht interessant, aber inzwischen machte sie der Whiskey ein bisschen mutiger. Richard Pearse gefiel ihr immer besser, und eigentlich wurde es Zeit, dass er sie als Frau wahrnahm. Schließlich waren sie jetzt seit zwei Tagen zusammen, fachsimpelten und erzählten. Atamarie beschloss, selbst die Initiative zu ergreifen. Sie tat, als friere sie, und lehnte sich wie beiläufig an ihren neuen Freund.
Pearse bemerkte das nach einigen Minuten und lächelte ihr zu. Atamarie hoffte, dass er den Arm um sie legen würde, aber dann machte ihr der Farmer einen Strich durch die Rechnung.
»Tja, das war wirklich ein netter Abend«, meinte er. »Aber nun muss ich mich verabschieden, ich muss früh raus morgen. Und Sie haben auch einen langen Tag vor sich. Machen Sie es sich nur im Stroh gemütlich, es ist ja weit genug vom Feuer entfernt, und das geht auch schon aus. Ach ja, und Miss … wie war noch Ihr Name? Mary? Meine Frau erwartet Sie im Haus, sie hat das Gästezimmer für Sie gerichtet …«
Atamarie wollte das Angebot ablehnen, aber hier ließen die gastfreundlichen Farmer nicht mit sich reden. Auf keinen Fall sollte die junge Frau gemeinsam mit zwölf Männern im Scherschuppen nächtigen! So ergab sie sich schließlich in ihr Schicksal und war damit auch gar nicht so unzufrieden. In dieser Nacht hätte sie ohnehin nicht mit Pearse das Lager teilen können. Das musste sich langsam entwickeln, schließlich war sie nicht in einem Maori-Dorf, in dem ein Mädchen und ein Junge, die sich gemeinsam
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