Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
Studenten meinten seinem wütenden Sermon entnehmen zu können, dass die Regierung wohl eine Zufahrtsstraße zum Park plane, die quer durch sein Farmgelände führe oder es doch zumindest stark in Mitleidenschaft ziehe. Damit war Mr. Peabody nicht einverstanden, und Dobbins und seine Leute mussten es jetzt ausbaden.
»Und dass Sie mir ja nicht auf meinem Land Ihre Zelte aufbauen! Hauen Sie ab in den Wald! Und machen Sie sich drauf gefasst, dass ich jede dieser ›Berechnungen‹ genau kontrolliere! Keinen Fingerbreit von meinem Land bekommt der Staat!«
»Dabei hat der Staat ihm den Gefallen getan, eben sein Land von den Maori zu stehlen«, kommentierte Atamarie bitter. »Würde ihm jetzt recht geschehen, wenn er es ihm auch wieder abnähme.«
»Keine politischen Statements, Miss Turei«, tadelte Dobbins missmutig. Er hatte sich erkennbar auf eine trockene Scheune oder gar ein richtiges Zimmer auf der Farm gefreut. Schließlich war er nicht mehr der Jüngste, und nach einer Nacht im feuchten Zelt schmerzten ihn alle Knochen. »Reiten wir weiter,bis in den Regenwald – wahrscheinlich werden wir dort heute Nacht auch noch interessante Insekten kennenlernen, für die Naturkundler unter Ihnen …«
Die Studenten reagierten mit unglücklichem Gelächter. Nur Atamarie runzelte die Stirn.
»Professor Dobbins, wir können doch einfach nach Parihaka reiten«, schlug sie vor. »Meine Mutter hat uns ausdrücklich eingeladen. Sie freut sich. Die freuen sich da alle!«
Ein Teil der Studenten schien das für eine sehr gute Idee zu halten, aber der Professor blickte skeptisch. »Ich weiß nicht, Miss Turei. Ihre Mutter wird sich bestimmt freuen, Sie zu sehen. Aber gleich eine ganze Gruppe von dreizehn Leuten mit vierzehn Pferden …«
»… die obendrein mitten in der Nacht eintrifft …«, fügte Richard rücksichtsvoll hinzu.
Immerhin hatte er schon eine Karte entfaltet und den Weg nach Parihaka eingesehen. Es war noch weit, vor Mitternacht würden sie auf keinen Fall ankommen, schließlich mussten sie den halben Berg umreiten.
Atamarie schüttelte jedoch lachend den Kopf. »Das ist Parihaka, Professor! Früher hatten sie da bei jedem Vollmond zweitausend Besucher. Und Maori-Stämme kommen immer gesammelt zu Besuch. Wenn sie wandern, tun sie’s gemeinsam, Männer, Frauen und Kinder. Dreizehn Gäste – da lachen sie drüber in Parihaka! Und je schneller wir aufbrechen, desto früher sind wir da!«
Professor Dobbins stimmte schließlich zu – bevor noch jemand auf die Idee kam, abstimmen zu lassen. Dann hätte sich die Mehrheit sicher für den Ritt nach Parihaka entschieden, wo mit einem Dach über dem Kopf zu rechnen war. Für einige der jungen Männer aus Dunedin war dies der erste Campingausflug ihres Lebens, und sie hatten eigentlich bereits nach einer Regennacht im Zelt genug davon.
Die Gruppe ritt also durch die Nacht, geführt von Richard mit seiner Karte und Atamarie, die ihren Kommilitonen zeigte, wie man sich an den Sternen orientierte. Zum Glück hatte es aufgeklart, und der Mond beschien die Wege mit seinem sanften Licht. An sich brauchte man nur in Richtung Meer zu reiten, Parihaka lag zwischen dem Vulkan und der Tasmansee.
»Welcher Maori-Stamm ist es denn eigentlich?«, fragte Richard.
Dieses Mal waren auch die anderen Studenten interessiert. Einige von ihnen hatten tatsächlich noch nie mit Maori Kontakt gehabt und waren dementsprechend gespannt. Andere, wie Richard, kannten Stämme in der Umgebung ihrer Farmen. Ihre Eltern hatten Maori-Viehhüter angestellt oder auch Hauspersonal. In einem marae übernachtet hatte jedoch noch niemand.
»Es ist kein einzelner Stamm, es ist Parihaka!«, erklärte Atamarie, verwundert darüber, dass kein einziger der jungen Männer die Geschichte kannte. »Es wurde von Te Whiti, das ist ein alter Häuptling und Prophet, nach den Landkriegen gegründet, eigentlich, um Flüchtlinge aufzunehmen. Aber dann entwickelte es sich zu einer Art … tja, wie kann man das nennen … Musterdorf, sagen manche. Aber es war auch fast etwas wie ein Heiligtum. Also einerseits wollte man den pakeha zeigen, dass Maori sich sehr gut und sehr ordentlich selbst verwalten konnten. Parihaka hatte Schulen, ein Krankenhaus, eine Bank, eine Poststation … alles nach pakeha -Muster. Aber andererseits hielt man eben die alten Bräuche in Ehren, was Musik und Kunst und Religion anging. Und Te Whiti predigte. Er setzte sich für die Rechte der Maori ein, gegen Landnahme ohne Bezahlung
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