Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
Flasche. Die Maori hatten inzwischen zu singen begonnen, das Sternbild Matariki stand gut sichtbar hoch am Nachthimmel. Es war kalt und trocken, zudem war Vollmond – ideales Wetter für das Fest. Die beiden Stämme würden die ganze Nacht musizieren und tanzen, auch aromatische Essensgerüche wehten zu den Männern hinüber. Michael sah sich kurz nach Lizzie um, aber die war sicher bei den Frauen und feierte mit. Sie sprach gut Maori und galt den Ngai Tahu als eine Frau mit sehr viel mana, also hohem Ansehen bei den Stämmen. Michael wandte sich beruhigt wieder seinem Freund zu. Lizzie sollte nicht hören, wenn er Schlechtes über Juliet sagte.
»Juliet wollte nicht mitkommen«, antwortete er schließlich. »Sie … hält nichts von den Stämmen … wobei man das verstehen kann, in ihrem Land …«
»In Amerika hielten sie Afrikaner als Sklaven, und es musste erst ein Krieg geführt werden, damit sie aufhörten, die armen Kerle mit Peitschen auf ihre Felder zu treiben.« Tane war nicht sehr gebildet, kam aber genug herum, um sehr viel mehr über die Welt zu wissen, als Michael ihm zutraute. »Inzwischen ist das jedoch über dreißig Jahre her, es ist keine Entschuldigung dafür, jeden wie Dreck zu behandeln, dessen Haut eine andere Farbe hat …«
»Das tut sie ja nicht«, meinte Michael gequält. »Es ist nur, dass es für sie nicht so selbstverständlich ist, zusammen zu feiern und …«
»Und wo ist Patrick?«, unterbrach Tane sein Gestammel.
»Patrick ist bei ihr geblieben«, gab Michael zu. »Er wollte sie nicht allein lassen. Er meint, von der Farm aus könnte man die Sterne ja auch sehen, und die manu aute … Wenn das Kind da ist, wird er ihm einen bauen und ihn fliegen lassen …«
Tane schnaubte. »Das glaube ich nicht. Sie wird Gründe finden, ihr weißes Goldstück von den Kindern der Ngai Tahu fernzuhalten. Noch mal, Michael, damit es wirklich bei mir ankommt: Patrick ist extra von Dunedin hergeritten, um mit uns zu feiern, aber sie hat es ihm ausgeredet?«
Michael nickte, brachte aber deutlich mehr Verständnis für Patrick auf. »Auch ich«, sagte er schulterzuckend, »habe eine Frau mit sehr viel mana …«
In der ersten Zeit seines Zusammenseins mit Lizzie hatte es immer wieder Konflikte gegeben, weil sie dazu neigte, eigene Entscheidungen zu treffen, die ihr gemeinsames Leben bestimmten.
Tane grinste. »Hat diese Juliet mana? Bei welchem Stamm? Den Leuten in Dunedin? Hätte sie mana , so brauchte sie ihrKind nicht zu verstecken und sich im Bett eines Mannes zu verkriechen, den sie nicht liebt. Und hätte sie mana , dann hätte Kevin sie nicht verlassen. Der braucht nämlich eine Frau mit mana , genau wie du, mein Freund!«
Er knuffte seinen alten Kumpel freundschaftlich. Dabei übersahen die beiden, dass sich Lizzies Freundin Haikina genähert hatte. Sie lachte und ließ sich neben den Männern auf den Boden fallen.
»Ich soll euch sagen, ihr sollt euch zu den Feuern bewegen. Es gibt Essen. Aber erst tanzt du den haka mit, Tane, deine Mutter sagt, wir sollen dich nicht füttern, bevor du getanzt hast. Du wirst dick!« Sie klopfte auf Tanes imponierenden Bauch.
»Dies zu Frauen mit mana «, stöhnte Tane.
Haikina grinste. »Ich höre schon, ihr diskutiert das Prinzip … am Beispiel einer gewissen Juliet, nicht?«
Haikina sprach sehr gut Englisch. Nach dem Besuch einer Missionsschule war sie Lehrerin.
»Du kannst sie auch nicht leiden«, meinte Michael fast weinerlich. »Wie Lizzie …«
Haikina lachte. »Die meisten Frauen können sie nicht leiden. Wir mögen nämlich mana haben, Michael, aber wir nutzen es nicht, um Männer an der Nase herumzuführen. Darin ist Juliet allerdings tohunga – und euren Patrick, den lässt sie tanzen wie einen manu an seiner Schnur …«
Die Monate bis zur Geburt von Juliets Kind vergingen quälend langsam. Patrick war unglücklich, weil er seine junge Frau höchstens am Wochenende sah, und auch da schaffte er es nicht immer, nach Lawrence zu reiten. Schließlich beriet er wieder Farmer und verbrachte die Arbeitswoche oft auf Stations in einer ganz anderen Gegend.
»Auch so gesehen ist es gut, dass du hier bei meinen Eltern bist«, tröstete er Juliet, als die sich wieder einmal über die Einsamkeit auf Elizabeth Station beklagte. »In unserem Haus wärst du ganz allein, und wenn dann das Kind käme …«
Bis zur Geburt waren es noch etwa vier Wochen, aber Juliets Leib war bereits stark gerundet. Patrick hatte ihr deshalb schon
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