Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
einen Namen überlegt?«, fragte Michael, um seinen Sohn abzulenken.
Patrick zuckte die Schultern. »Alles, nur nicht Kevin«, grinste er. »Ich mag Joseph, Joe lässt sich gut rufen. Oder Harold, Harry. Aber Juliet hätte wohl gern was aus ihrer Heimat, was Französisches: Baptiste oder Laurent …«
»Wie?«, fragte Lizzie, wurde dann aber von einem gellenden Schrei aus Juliets Zimmer unterbrochen.
Patrick wollte sofort hineinstürzen, aber Lizzie hielt ihn zurück.
»Klang schrecklich, aber auch erleichtert«, konstatierte sie. »Pass auf, es ist gleich vorbei …«
Tatsächlich wiederholte der Aufschrei sich nicht. Stattdessen öffnete sich nur wenige Minuten später die Zimmertür. Sharon trat strahlend heraus, ein winziges, in Tücher gewickeltes Baby im Arm.
»Hier haben Sie Ihre Tochter, Mr. Drury! Und ist sie nicht das entzückendste Baby, das Sie je gesehen haben?«
Patrick schaute ungläubig, nahm ihr das Bündel aber bereitwillig ab. Er grinste unwillkürlich, als er in das winzige Antlitz sah.
»Ein Mädchen?«
Sharon nickte. »Und schauen Sie mal, wie süß!«
Lizzie musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um einen Blick auf ihre Enkelin zu werfen, war dann aber genauso hingerissen wie die Hebamme. »Sie hat ja richtig lange Haare! Und das wird ein dunkler Teint, nicht? Ach, man sollte es geradezu zur Pflicht machen, dass sich verschiedene Menschentypen mischen – so ein hübsches Kind habe ich seit Matariki nicht mehr gesehen!«
Michael blickte etwas skeptisch auf das Baby. Er war auf all seine Kinder stolz gewesen, hatte aber nie begreifen können, wie man beim ersten Blick auf diese roten, verschrumpelten Wesen mit ihren verkniffenen Gesichtchen auf Familienähnlichkeit oder gar spätere Schönheit schließen konnte.
»Wie soll sie denn jetzt heißen?«, fragte er.
Um die Namensgebung für das kleine Mädchen entbrannten in den nächsten Tagen regelrechte Grabenkämpfe. Patrick schien es ziemlich gleich zu sein, er war einfach nur begeistert von dem Kind und erleichtert, dass alles gut gegangen war. Deshalb war er auch bereit, Juliet jeden Wunsch von den Augen abzulesen – speziell wenn er sich so billig erfüllen ließ wie die Auswahl eines Namens. Lizzie dagegen kämpfte erbittert gegen jeden Vorschlag ihrer Schwiegertochter.
»Celine, Laetitia, Monique! Wenn ich das schon höre, das …«
»Ein bisschen exotisch natürlich«, meinte Patrick. »Aber nur, weil wir das noch nie gehört haben …«
»Es spricht für dich, mein Sohn, dass du das noch nie gehört hast«, bemerkte Michael, der in dieser Sache weitgehend Lizzies Position vertrat. »Aber so ungewöhnlich sind die Namen eigentlich nicht, sie …«
»Dein Vater will ausdrücken, dass er jeweils mindestens drei Huren kannte, die sich für die ›Künstlernamen‹ Claudine, Michelle oder Clarisse entschieden hatten«, präzisierte Lizzie. »In New Orleans mögen auch ganz normale Mädchen so heißen. Aber hier … das kannst du deiner Tochter nicht antun!«
Patrick biss sich auf die Lippen. Er kannte tatsächlich keine Freudenmädchen. In Dunedin sorgte die Church of Scotland dafür, dass Prostitution nur im sehr Verborgenen blühte.
»Warum nicht ein guter irischer Name?«, fragte Michael. »Warum nicht zum Beispiel …«
»Alles außer Kathleen«, warnte Lizzie und nahm das Baby hoch, das zu greinen begann. Juliet kümmerte sich, abgesehen von der eifrigen Suche nach dem passenden Vornamen, kaum um ihre Tochter und weigerte sich auch, sie zu stillen. »Sie sieht ja nicht unbedingt irisch aus, aber von mir aus könnt ihr sie gern Mary oder Bridget nennen. Hauptsache ein Name, der sie nicht kompromittiert und den man ohne Zungenverrenkungen aussprechen kann.«
Der Konflikt wurde schließlich dahingehend gelöst, dass Juliet sich auf Michaels Namenwahl einließ, aber auf einer französischen Schreibweise bestand. Schon der Standesbeamte in Dunedin, dem man die kleine Marie Brigitte im Alter von drei Monaten vorstellte, verschrieb sich zwei Mal bei ihrer Eintragung.
Reverend Burton schaffte die Eintragung in die Familienbibel ohne Fehler, runzelte dabei aber die Stirn.
»Wie wollt ihr sie denn rufen?«, erkundigte er sich bei den Eltern, die beide gekommen waren, um das Kind zur Taufe anzumelden.
»Marie«, antwortete Juliet.
Patrick sagte gleichzeitig Bridey, worauf Juliet ihn anblitzte. Kathleen, die sich eben über das Kind beugte, sah ein dunkles, glattes Gesichtchen im Schein der
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