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Die Tränen der Massai

Die Tränen der Massai

Titel: Die Tränen der Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Coates
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wahrscheinlich kannte sie Afrika zu gut. Oder sie glaubte es zumindest. Sie haben ihre Leiche an einer Ampel in Soweto gefunden. Den Volvo fanden sie nie. Ich war zu diesem Zeitpunkt irgendwo in Angola. Hab es erst drei Wochen später erfahren.«
    Der Mond stand hoch am Himmel. Er hing dort wie ein großer gelber Ball auf paillettenbesetztem Samtstoff. Felsen und Steine schimmerten ein wenig in seinem unheimlichen Licht. Gebogene, kahle Äste wurden vom Mondlicht beleuchtet, und rasiermesserscharfe blaue Schatten ließen die Landschaft zweidimensional wirken. Es sah aus wie eine Bühnenkulisse – flach, mit Farben, die eine melodramatische Stimmung vermitteln sollten.
    »Wenn ich auf all das zurückblicke«, sagte Bear mit einer Spur Resignation, »kann ich nicht behaupten, irgendwas richtig gemacht zu haben.«
    Jack betrachtete seinen Whiskybecher. Die Nachtgeräusche wurden leiser, und er bemerkte plötzlich die beinahe greifbare Stille, die sie umgab. Er hätte Bears Geständnisse lieber nicht gehört, denn nun fühlte er sich verpflichtet, etwas zu erwidern. Man konnte nicht zulassen, dass ein Mann seine Seele auf eine solche Weise entblößte, ohne dass man ihm etwas zurückgab. Etwas, das aus dem Herzen kam.
    Jack hielt den Atem an und fragte sich, ob er sich rechtzeitig eine plausible Geschichte ausdenken konnte.
    Dann kam schließlich die Frage: »Und du?«
    Er konnte ihn nicht anlügen. »War nie verheiratet. Aber Liz und ich haben drei Jahre oder so zusammengelebt. Alles war in Ordnung, aber, na ja, wir haben uns getrennt, kurz bevor ich hierher kam.«
    »Das ist schade.«
    »Ja … das war es.«
    »Deine Entscheidung?«
    Jack fragte sich, wie weit er gehen konnte. Wenn es je eine Zeit und einen Ort gab, zumindest einen Teil seiner Geschichte zu erzählen, dann war es hier, mitten in Afrika, bei diesem Felsen von einem Mann.
    »Ach, scheiß drauf, Kumpel«, sagte Bear. »Ich weiß, manchmal bin ich ein bisschen neugierig. Es ist deine Sache. Du willst nicht drüber reden? Das ist schon in Ordnung.«
    Die leisen Geräusche der Nacht trieben zu ihm hin. Die seltsam bellende Rufe eines Zebras, unterbrochen vom hustenden Gackern einer Hyäne. »Nein, das ist es nicht. Es ist einfach nur eine lange Geschichte.«
    »Klar.«
    Jack verspürte den Drang, seine Last loszuwerden. Afrika war ein so gewaltiges, leeres Land. Eine andere Welt. Er hatte das Gefühl, dass es jetzt in Ordnung war, darüber zu reden. »Ich hatte eine Affäre. Schlimmstenfalls hätte es eine einmalige Sache sein sollen. Anfangs war ich sogar ziemlich sicher, dass es zu überhaupt nichts kommen würde. Ich meine, ich bin auf einer fünftägigen Konferenz, und Liz ist zu Hause. Ich habe sie nie zuvor betrogen. Ich muss zugeben, dass ich die andere Frau attraktiv fand. Nicht gerade umwerfend. Sie sah ziemlich durchschnittlich aus. Aber attraktiv auf eine sexuelle Art. Sie machte diese Bewegung mit der Zunge, hat sie immer über den Zahn geschoben und … na ja. Sie war ziemlich fordernd. Oder vielleicht trifft sexuell aggressiv es besser. Alles an ihr forderte mich heraus, sie anzumachen. Aber das würde nicht passieren. Zumindest dachte ich das anfangs.
    Es war eine Art Theater. Meine Rolle bestand darin, die Szene zu spielen und dann die Bühne zu verlassen. Aber es durfte kein schlichter Abgang sein; es musste mit Klasse passieren. Es musste mit dem gleichen Stil geschehen, den sie bei ihrer Verführung benutzte. Und sie war gut, subtil. Ganz zufällig streifte ihr Bein meines unter dem Tisch. Oder sie legte die Hand auf meinen Oberschenkel, wenn sie nach der Serviette griff, die sie fallen lassen hatte. Solche Sachen. Meine Verteidigung war Liz. Ich wusste, ich würde Liz nicht betrügen, also machte ich mit. Gab ihr Feuer und berührte dabei ihre Hand. Genau wie im Kino. Nur ein kleiner Flirt.
    Als wir zu ihrer Tür kamen, war ich immer noch überzeugt, dass ich gehen konnte. Dann machte sie diese Sache mit der Zunge, als sie gute Nacht sagte, und … ich hab wohl einen Moment innegehalten. Sie hob die Hand, als wollte sie mir einen Fussel von der Schulter schnippen, und dann … dann küsste sie mich. Ich bin noch nie zuvor so geküsst worden. Ich meine, einfach so, ohne Vorgeplänkel. Ich hätte es nie erwartet … es war ein vollkommen sensationelles Gefühl. Und das war’s dann. Ich war erledigt.«
    »Ich nehme an, deine Freundin Liz hat es herausgefunden.«
    »Nein. Ich meine, ja. Stimmt. Sie hat es rausgefunden, und das war’s

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