Die Tränen der Massai

Hypothese gewesen. Aber zu diesem Zeitpunkt hatte er nicht besonders klar denken können. Er hatte sich zurückgehalten und etwas davon gemurmelt, dass er verheiratet war. Schlechtes Gewissen. Sie schien die Ausrede zu akzeptieren und hatte ihn leidenschaftlich geküsst, als er sie zum Taxi brachte. Das Mädchen, das er im Norfolk kennen gelernt hatte, Monique, war etwas ganz anderes gewesen – redselig, zerstreut und ein bisschen zu professionell für seinen Geschmack.
    Bear brach das Schweigen. »Weißt du, Jack, du bist nicht der Typ von Mann, den man in Afrika erwarten würde.« Er kratzte sich an seinem dünnen Bart und runzelte nachdenklich die Stirn.
    »Nein?« Jack hatte sein Bier ausgetrunken. Das Plastikglas mit dem Whisky hielt er immer noch in seiner Hand.
    »Nein. Allein stehende Männer, die nach Afrika kommen … da gibt es für gewöhnlich zwei Arten. Wohltäter, meist Methodisten, die todlangweilig sind, oder Cowboys, die auf die Jagd gehen wollen, und wenn sie damit fertig sind, alle verheirateten Frauen verführen. Oder sich auf jedes Barmädchen stürzen, das ihnen auch nur einen Blick gönnt, und total betrunken oder auch einfach nur tot in einer Bar enden.«
    »Danke, Kumpel!« Jack stützte sich auf einen Ellbogen. Die Nacht wurde kühler, aber er konnte die Wärme des Steins noch an den Kniekehlen spüren. »Und in welche Abteilung hast du mich gesteckt?«
    »Oh, ich habe nicht gemeint, dass sie alle so sind. Es gibt auch ein paar wirklich mysteriöse Typen. Wie du. Meistens sind sie vor irgendeiner Frau davongerannt.«
    Jack sah ihn forschend an. Dann kam er zu dem Schluss, dass Bear nur geraten hatte, und ignorierte die Bemerkung.
    »Ha! Hab ich’s getroffen?«
    Jack zwang ein Lächeln auf seine Lippen und schüttelte den Kopf.
    »O Mann.« Bear machte eine dramatische Geste. »Jetzt geht das wieder los. Man kann wirklich kein Wort aus dir herausholen.«
    »Was soll ich denn sagen? Tut mir Leid, dass ich nicht in eine deiner Schubladen passe?«
    »Mann, du bist unmöglich.«
    »Also wer war die Frau?«
    Bear drehte sich zu ihm um. »Was?«
    »Na ja, gehen wir mal nach deinem Schema vor. Ich glaube nicht, dass du einer von den Cowboys bist. Und ganz bestimmt kein Kirchgänger. Also läufst du vor einer Frau davon, oder?«
    »Ach, Davonlaufen ist sinnlos. Ich war dreimal verheiratet. Keine meiner Ehen hat die Überseearbeit überlebt. Oh, einige Zeit ist es wunderbar, dann lässt die Aufregung nach, und sie wollen, dass du dir einen richtigen Job suchst.« Er trank einen Schluck Whisky. »Ich arbeite nicht unbedingt an den glamourösesten Orten der Welt. Aber es ist mein Job. Sie wollten, dass ich mich niederlasse. Nein, nein.«
    »Wie alt bist du jetzt?«
    »Ein Welpe. Siebenundvierzig.«
    »Und dreimal verheiratet?«
    »Wie, glaubst du denn, dass
ich
mich fühle? Ich lerne nur langsam, aber inzwischen ist mir ziemlich klar, dass man nicht gerade reicher davon wird, alle paar Jahre das Einkommen zu halbieren und es einer Fremden hinterherzuwerfen.«
    Jack lächelte. »Und das ist das Schlimmste daran? Das Geld?«
    »Nein. Männer reden immer über die Alimente. Aber es ist mehr an der Sache.«
    Jack trank einen Schluck von seinem Scotch.
    Bear sagte: »Ich hab die Erste kennen gelernt, als ich jung und noch in der Handelsmarine war. Funker zweiter Klasse. Ich war sieben von acht Monaten auf See. Also habe ich bei den Vereinten Nationen angefangen. Dachte, ich könnte irgendwo für längere Zeit postiert werden, an einem hübschen Ort wie Rio oder Suva. Aber damals war es schwierig, Langzeitstellen zu bekommen. Wir waren drei Jahre in Afrika – der längste Auftrag an einem Ort dauerte vier Monate. Habe Regina nie wirklich kennen gelernt.« Er trank seinen Whisky und goss sich nach. »Willst du mehr?« Er reichte Jack die Flasche. »Als ich nach der Scheidung zum ersten Mal wieder nach Hause kam, hab ich das Mädchen von nebenan geheiratet. Sie hat mich in Mogadischu verlassen. Ich kann es ihr nicht mal übel nehmen. Somalia war ’73 ein Loch.«
    Als Bear schwieg, schienen die Nachtgeräusche zurückzukehren. Eine murmelnde Kakophonie umgab sie. Es war unmöglich, zu sagen, ob es leise Geräusche ganz in der Nähe waren oder lautere weiter entfernt.
    »Und dann war da die Dritte.« Bear seufzte. »Elizabeth war Südafrikanerin. Vom englischen Stamm. Ich dachte, da ist endlich mal jemand, der Afrika kennt. Diesmal geht es gut aus, sagte ich mir.« Er trank einen Schluck Scotch. »Nun,