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Die Tränen der Massai

Die Tränen der Massai

Titel: Die Tränen der Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Coates
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würden sie kaum später als um zehn Uhr in Nairobi sein.
    »Jack …«
    »Hm?«
    »Das klingt vielleicht albern, aber … nicht hier.«
    »Was mache ich denn? Ich lege meinen Arm um dich.«
    »Ja.«
    »Was ist falsch daran?«
    »Oh, tut mir Leid. Wie soll ich das einem
Mzungu,
der neu im Land ist, erklären? Du weißt, was
Mzungu
bedeutet, oder?«
    »Selbstverständlich. Weiße Person.«
    »Gut. Das ist deine erste Swahili-Lektion. Die zweite besteht darin, dass man … nun ja, man zeigt seine Zuneigung hier nicht so offen. Es ist zu privat.«
    »Zu privat? Wow. Was ist damit?« Er nahm ihre Hand.
    »Nicht ganz so schlimm, aber …«
    »Ich kann nicht einmal deine Hand halten?«
    »Lieber nicht. Vielleicht in Nairobi … aber in Mombasa, an der Küste … diese Leute, die Swahili, sind sehr … was ist das richtige Wort? Konservativ. Du wirst nie sehen, dass sie einander an den Händen halten, und wenn ein Zebrapaar es tut, dann starren sie einen nur an. Ist es dir nicht aufgefallen?«
    »Aber ich bin ein zwanghafter Händchenhalter. Ich komme mir komisch vor, wenn ich nicht die Hand von meinem Mädchen halte. Als wäre ich ein Vetter aus der Provinz, der zu Besuch gekommen ist.«
    »Tut mir Leid. Es ist meine Schuld. Ich ärgere mich, wenn sie mich anstarren. Also ist es das Beste … du weißt schon … bis später zu warten.«
    »Ein bisschen Schmusen kommt also überhaupt nicht in Frage?« Er lächelte.
    Sie schubste ihn.
    »Was soll ich also tun? Das ist unfair. Kenia oder nicht, es ist unfair.«
    »Ich weiß. Also gut. Wir werden einen geheimen Kuss versuchen. Wenn ich das hier tue« – sie legte ihre Hand einen Augenblick an seine Wange –, »ist das mein geheimer Kuss.«
    »Hm. Nett.«
    »In Ordnung?«
    »Es wird wohl genügen müssen.«
    Sie drückte schnell noch einmal seine Hand, dann ließ sie sie los.
     
    Die Schläge von Metallspeeren auf steinharte Büffelhautschilde rollten wie Donner in dem engen Raum. Die zehn Massai-
Moran
umkreisten einen der ihren, einen sehr hoch gewachsenen, gut aussehenden jungen Krieger, der begann, im Rhythmus ihrer Schläge in die Luft zu springen. Sein kurzes rotes
Shuka
flatterte, und sein mit rotem Ocker bestrichenes Haar wirbelte herum, als er sich hoch in der Luft drehte und zuckte.
    Die Veranstaltungshalle von Bomas of Kenya war voll mit Wochenendtouristen. Tatsächlich handelte es sich um ein großes Zirkuszelt, das gewichtig in einem gepflegten Park am Südrand von Nairobi stand. Drinnen versahen starke Stadionlampen die Tänzer in der sandigen Arena mit mehreren Schatten.
    Jack stellte die Kamera auf die tanzenden Massai ein. Klick. Schwirr. Malaika langweilte sich und hoffte, dass die Vorstellung bald zu Ende sein würde. Die Massai in ihren kurzen roten Schurzen waren die siebte Stammesgruppe, die auftrat, und es versprach ein langer Nachmittag zu werden. Malaika und Jack saßen auf den Rängen, umgeben von Busladungen von Touristen. Kamerablitze zuckten wie lautlose Ausrufe rund um die Arena. Malaika rührte die Überreste ihres Seven-up mit dem Strohhalm um. Sie hätte gern noch eines gehabt – unter dem Zeltdach war es heiß und trocken –, aber wahrscheinlich würde Jack darauf bestehen, die Getränke selbst zu holen, und er war so in seine Fotografiererei versunken.
    Klick, schwirr machte die Kamera. Krach, krach erklang es vom Boden der Arena. Malaika bemerkte, dass sie trotz ihrer bemühten Gleichgültigkeit von dem Rhythmus angezogen wurde. Jedes zwingende Krachen von Speer auf Schild war genau einen Herzschlag vom nächsten entfernt. Krach, krach, krach. Aber ein anderes Geräusch begann, sich zwischen die Speerschläge zu drängen. Wie ein Zug, der einen weit entfernten Hügel hinauffährt und dies mit dem Rauschen von Hitze und Dampf anzeigt, begann der Gesang der Massai.
    »Hhuuhn-hah!«
Ein Schlag auf die Schilde, dann:
»Hhuunh-hah!«
    Ein lange vergessenes Bild zuckte vor Malaikas geistigem Auge auf. Ein Bild aus einem anderen Leben, ihrem Leben als Kind, aber verbunden mit trüben, verstörenden Erinnerungen. Eine Mutter. Ein Bruder. Eine alte Frau. Der Gesang und das Krachen von Eisenspeeren auf Schilde war einem anderen Teil von ihr vertraut. Ein Geistergeräusch.
    Das Mädchen entzog seiner Mutter die Hand und kroch durch die Gruppe von Frauen. Sie huschte zwischen den dünnen schwarzen Beinen und breiten Füßen hindurch, die ihr Staubwolken ins Gesicht stampften. Über ihr wurden die hohen, heulenden Schreie der Frauen

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